Amanda Peacher leitet das Public Insight Network bei Oregon Public Broadcasting.

Foto: Oregon Public Broadcasting

Eine Angst geht um im Journalismus - die Angst vor dem Publikum. "Nutzerbeteiligung“ (User Engagement), das löst nicht selten Abwehrreflexe aus. Laien mit Tastatur und Smartphone? Bürgerjournalismus? Warum bloß wird den echten Profis schrittweise die Arbeit weggenommen?

Wie gut User Engagement tatsächlich funktionieren kann, zeigt ein Netzwerk von US-Public Broadcastern. Am Anfang stand die Frage, wie Nutzer und ihre Geschichten systematisch und professionell in die Berichterstattung eingebunden werden können. 2009 entwickelte American Public Media das "Public Insight Network" – kurz PIN. Das PIN ist ein Netzwerk von Usern, das Einblicke in die Erfahrungen und Bedürfnisse des Publikums geben soll. Nicht immer die gleichen Stories, nicht immer die gleichen Protagonisten. Mehr Vielfalt durch User Engagement, das ist die Idee von PIN.

230.000 registrierte PIN-Mitglieder

Und das geht so: Leser/Hörer/Seher werden konkret angesprochen, sich in der PIN-Datenbank zu registrieren und dort ein Profil mit ihren Interessen und Kontaktdaten zu erstellen. Rund 230.000 registrierte PIN-Mitglieder gibt es mittlerweile. Sie können auswählen, welche Redaktionen ihre Informationen sehen können, wer sie kontaktieren darf. Sie können eigene Ideen einbringen und werden von einer der Redaktionen – 63 TV-, Radio-, Print-Medien nehmen mittlerweile teil – konkret zu verschiedenen Themen befragt.

"Wir haben damit mehr Quellen für unsere Geschichten und einen schnelleren Zugang zu ihnen", sagt Amanda Peacher, die das Public Insight Network bei OPB, Oregon Public Broadcasting, leitet. Sie ist diejenige, zu denen die OPB-Reporter und Producer mit Ideen kommen – Amanda stellt dann der PIN-Community gezielte Fragen zu den geplanten Geschichten. Sie macht eigene Stories oder greift die Anregungen aus der PIN-Community auf.

Rekrutierung

Rund 8000 Mitglieder gibt es im US-Bundesstaat Oregon. Mit der Zahl sei man schon recht zufrieden, sagt Peacher, aber "ein bisschen mehr Diversität wäre schön. Tendenziell registrieren sich Menschen über 35, gebildet, aus der Mittelschicht". Deshalb veranstaltet Peacher für ihren Sender regelmäßige Events, Speed Datings, Neighbourhood-Meetings für die PIN-Community und geht im Schnitt einmal wöchentlich zu verschiedensten anderen lokalen Veranstaltungen, um aktiv PIN-Mitglieder anzuwerben.

Es scheint, als würde hier noch eine weitere Arbeitsbelastung für Journalistinnen entstehen, doch die Mühe lohnt. PIN ist im Newsroom sehr gut integriert, wird von den Chefs unterstützt, von den Kollegen genutzt. "Ein Knochenjob, aber so finden wir die neuen Geschichten."

Kürzungen im US-Bildungsbudget? Über PIN werden Erfahrungen gesammelt, wie sich das denn konkret auf den Alltag von Familien und Studenten auswirkt. Eine neue Regierungskampagne im Staat Oregon zur Senkung der Drop-Out Rate in Schulen? Über PIN wird das "Class of 2025“ Projekt gestartet, OPB folgt einer Gruppe von Kindergartenkindern auf ihrer Reise bis zur High School. Die Gentrifizierung in Portland? Amanda Peacher schickt die Frage aus, was die Alteingesessenen und die Neuen verbindet, was sie stört.

Auf Augenhöhe mit dem Publikum

Die Journalisten werden so wieder stärker Teil ihrer Communities. Manchmal sind sie es, die die Gemeinschaften erst schaffen. Sie sind mit ihrem Publikum auf Augenhöhe. Sie nehmen die Erfahrungen und den Input des Publikums ernst. Aber sie wissen auch, was ihre professionelle Rolle ist: Sie erst machen daraus die Geschichten. (Daniela Kraus, derStandard.at, 3.6.2014)