Beim Krötentreffen wird immer Wert auf eine tolle Verpflegung gelegt. Gibt es in der Früh zumeist nur eine einfache Nudelsuppe, wird das Mittagessen zur Spezialitätenverkostung.

Hier geht's zur Ansichtssache.

Foto: Alexander Reisenbichler

Leser meiner Artikel sind wahrscheinlich schon das eine oder andere Mal über den Begriff “Zurück-aufs-Land-Bewegung” gestolpert, eine Bewegung von sehr unterschiedlichen Leuten die das stressige Stadtleben satt haben und in den überalternden ländlichen Gegenden teilweise traditionelle Bräuche wiederbeleben und einfach ein entspannteres Leben führen wollen.

Der heutige Artikel wird sich mit einer besonderen Facette dieser Bewegung befassen, dem freiwilligen Arbeitsdienst oder Krötentreffen, Kröten gelten als Glücksbringer, daher der Name.

Organisation des Krötentreffens

Vor ungefähr sechs Jahren haben sich einige Leute der “Zurück-aufs-Land-Bewegung” und der ursprünglichen lokalen Bevölkerung zusammengetan und das “Krötentreffen” ins Leben gerufen. Ziel ist es, alten und armen Leuten bei alltäglichen Arbeiten wie zum Beispiel Hausreparaturen oder Holzhacken zu helfen.

Viele alleinstehende Pensionisten, besonders Frauen, haben oft nicht mehr die Kraft im Wald Holz zu sammeln oder nicht genug Geld, Arbeiter zu bezahlen, die allfällige Hausreparaturen durchführen könnten. Die insgesamt zwanzig Mitglieder bezahlen jährlich ungefähr 150 Euro für benötigte Materialien. Für die Verpflegung wird am Tag des Treffens, jeweils der erste Sonntag des Monats, zusammengelegt. Nach der Arbeit spielen wir Fußball, Volleyball oder Jokgu und gehen dann auf ein Bier.

Das alte Haus der Frau Kim

Frau Kim wohnt schon seit fast vierzig Jahren alleine und hat keine Angehörigen, ihr Haus besteht aus zwei Zimmern und einer Küche. Eines der beiden Zimmer kann sie nicht benutzen, da durch die Löcher in der traditionellen Lehmwand viele giftige Tausendfüssler (Jinae, Länge bis zu 20 Zentimeter) eingedrungen sind, eine Seite der Küchenwand war nur notdürftig mit Wellblech und Plastik abgedeckt.

Zuerst haben wir den hinteren Garten entrümpelt, dann das abbröckelnde Fundament betoniert und eine neue Küchenwand aufgezogen. Beim nächsten Mal werden wir die Wand erneuern, gegebenenfalls den Boden ausbessern und so das Zimmer wieder bewohnbar machen.

Eine richtige Schatzsuche

Wenn man alte Häuser renoviert und Gerümpelkammern ausräumt, gleicht das manchmal einer richtigen Schatzsuche. Dieses Mal haben wir einen Stoß alter Zeitungen aus dem Jahr 1981 gefunden, mit vielen chinesischen Schriftzeichen und noch von oben nach unten geschrieben, nicht wie heute von links nach rechts. Besonders junge SüdkoreanerInnen würden aufgrund der chinesischen Zeichen Schwierigkeiten haben alles zu verstehen, während auf der anderen Seite die ältere Generation englische Begriffe, die mit der Zeit der koreanischen Sprache einverleibt wurden, nicht verstehen.

Ein altes Bügeleisen (indu, siehe Ansichtssache) hing an einem rostigen Nagel; nachdem man es im Feuer erhitzt hat, kann man Falten aus den Kleidern herausbügeln - während der Kolonialzeit (1910-1945) hat die japanische Polizei es als Folterwerkzeug bei Befragungen verwendet.

Die kulinarische Seite des Krötentreffens

Essen ist in Südkorea sehr wichtig, das sieht man unter anderem an den unzähligen Fernsehprogrammen, die sich mit der Essensherstellung und -zubereitung beschäftigen. Während des Essens bekommt man oft erklärt, wofür oder wogegen diese Speise hilft und in welcher Gegend diese als Spezialität gilt. Diese Liebe zur südkoreanischen Küche geht oft mit der Abneigung ausländischer Speisen einher und es gibt unglaublich lustige Geschichten von Südkoreanern, die nach Europa reisen.

Einer ernährte sich zwei Wochen lang tagtäglich von mitgebrachten Fertignudeln, die 70 Prozent seines Gepäcks ausmachten (drei Mal pro Tag in zwei Wochen entspricht 42 Fertignudelpackerln), ein anderer aß nur Äpfel und Reisende, die es sich leisten können, essen in südkoreanischen Restaurants, die sehr teuer sind.

Wildschwein, Hundefleischsuppe oder roher Fisch

Beim Krötentreffen wird deshalb immer Wert auf eine tolle Verpflegung gelegt. Gibt es in der Früh zumeist nur eine einfache Nudelsuppe, wird das Mittagessen zur Spezialitätenverkostung. Ott-Hühnersuppe (Ott ist eine Pflanze die beim ersten Genuss Kitzeln am ganzen Körper hervorruft und als sehr gesund gilt), gegartes Rehfleisch oder Wildschwein, Hundefleischsuppe oder roher Fisch.

Im Winter haben wir in den Bergbächen unter den Steinen Frösche gesammelt, die dort überwintern (dann ist der Magen der Frösche leer, im Sommer werden sie nicht gegessen) und im Fluss Fische gefangen, die dann mit Chili und Gemüse zu einem Eintopf gekocht wurden.

Abschied

Wir ziehen demnächst nach Indien um, und aus diesem Grund ist dies der letzte Blogeintrag. Ich möchte mich bei meinen Lesern bedanken und hoffe, dass es Ihnen genauso viel Spaß gemacht hat wie mir. Für viele Artikel musste ich ein wenig recherchieren und habe mich daher mit einigen Themen intensiver auseinandergesetzt. Zwar wusste ich auch vor dem Schreiben der Artikel über diese Themen einigermaßen Bescheid, doch fehlten immer wieder wichtige Details, die die Geschichten spannend machten.

Für den Blogeintrag über die Schweinetoiletten besuchte ich umliegende Dörfer und habe mich mit einigen Leuten über die Haltung dieser Toilettenschweine unterhalten und dabei einige neue Dinge gelernt. Bei der Neujahrsfeier habe ich den Bruder meiner Frau genervt, der mir die gesamte Aufstellung der Speisen erklären musste. Später habe ich auch noch andere Dorfbewohner befragt, um einen Vergleich zu bekommen und bemerkte, dass es zwar einige grundlegende Regeln gibt, aber auch sehr viele lokale Unterschiede und auch Abweichungen zwischen einzelnen Familien innerhalb eines Dorfs, die ihre Familientraditionen fortführen.

Intensive Beschäftigung mit lokaler Kultur

Diese intensive Beschäftigung mit der lokalen Kultur brachte mich in näheren Kontakt mit Leuten, mit denen ich sonst nur ein paar Worte wechselte, die ich nur grüßte oder gar nicht kannte und machte mir wieder einmal bewusst, dass man (vielleicht sollte ich nicht ‘man’ sondern ‘ich’ schreiben) seine Umgebung nach einiger Zeit einfach als gegeben hinnimmt - nur als Hintergrund, als Kulisse - und aufhört, sich damit aktiv zu beschäftigen. Dazu muss man gar nicht ins Ausland fahren, das kann man auch zu Hause erleben. Fragen Sie doch zum Beispiel Ihre Nachbarn, wie sie Weihnachten verbringen, was sie am Heiligen Abend essen undwie sich das Weihnachtsfest seit deren Kindheit verändert hat. Ich bin mir sicher, dass das einige unerwartete Resultate bringen wird. (Alexander Reisenbichler, derStandard.at, 03.06.2013)