Kosmischer Staub der Milchstraße (hier eine Karte seiner möglichen Auswirkungen auf die Gravitationswellen) könnte eine spektakuläre Entdeckung zu Fall bringen.


Illustration: Planck-Kollaboration

Wien – Erst am Donnerstag wurde einer der wichtigsten Wissenschaftspreise der Welt für die sogenannte Inflationstheorie des Universums vergeben: Alan Guth, Andrei Linde und Alexei Starobinsky erhielten den mit einer Million US-Dollar dotierten Kavli-Preis, weil sie 1980 zum Schluss gekommen waren, dass es unmittelbar nach dem Urknall eine extrem rasche Expansionsphase des Universums gegeben haben muss.

Gemäß ihrer Theorie entstanden in dieser Phase sogenannte Gravitationswellen, die der kosmischen Hintergrundstrahlung - also dem Echo des Urknalls - ein charakteristisches Muster aufprägten. Im März behaupteten Astronomen, dass sie mit dem Radioteleskop BICEP2 ("Background Imaging of Cosmic Extragalactic Polarization"), das am Südpol steht, genau solche Polarisationsmuster entdeckt hätten.

Astrophysikalische Sensation

Das war eine Weltsensation - und hat wohl dazu beigetragen, dass Guth, Linde und Starobinsky die Auszeichnung zuerkannt wurde. Doch auf die Euphorie folgte dieser Tage nach der Veröffentlichung zweier neuer Untersuchungen auf der Publikationsplattform arXiv Ernüchterung. Die beiden unabhängig voneinander entstandenen Arbeiten teilen ein zentrales Argument: Was im März als charakteristische Polarisationsmuster der Gravitationsstrahlung interpretiert wurde, könnte auch auf Verzerrungen durch kosmischen Staub in der Milchstraße zurückgehen.

Zwar hatten die Forscher der BICEP2-Kooperation Staub als mögliche Störquelle berücksichtigt, allerdings auf etwas krude Art. Dadurch könnten sie seine Rolle unterschätzt haben, schreiben Raphael Flauger und zwei Kollegen von der Princeton University. Statt 3,5 bis 5 Prozent könnte der Einfluss 8 bis 15 Prozent betragen. Dann aber würden die Ergenbisse vom März insignifikant.

Keine Evidenz dafür oder dagegen

Ähnlich argumentieren Astrophysiker um Uroš Seljak (Uni Berkeley) auf Basis eines anderen Ansatzes. Ihre Kernaussage nach detaillierter Prüfung der BICEP2-Daten unter Berücksichtigung von möglichen Störfaktoren wie eben des kosmischen Staubs: Noch gäbe es keinerlei Evidenz für oder gegen Gravitationswellen.

James Bock, Co-Leiter der BICEP2-Kooperation, sieht die Ergebnisse seines Teams nicht erschüttert: Gegenüber der Redaktion von "Nature News" bekundete er, dass damit der Beleg für die Existenz der Gravitationswellen nicht erschüttert sei.

Wer in dem Streit recht bekommen wird, dürfte sich im Oktober zeigen. Bis dahin sollte die erste komplette Karte kosmischen Staubs mit Hilfe des ESA-Satelliten "Planck“ erstellt sein. Kavli-Preisträger Alan Guth jedenfalls zeigte sich in einer ersten Reaktion gegenüber "Nature" etwas enttäuscht: "Ich hatte gedacht, dass die Ergebnisse vom März sehr sicher gewesen seien. Nun hat sich die Lage geändert.” (tasch, derStandard.at 30.5.2014)