Die ÖVP stellt den Finanzminister. Der ist der festen Meinung, dass derzeit (schon 2015) keine Steuersenkung möglich ist. Aber er - und die ÖVP - sind nicht in der Lage, das zu argumentieren. Unter dem Ansturm von ÖGB (schwarze Gewerkschafter inklusive), Arbeiterkammer und (etwas gebremst) der SPÖ, vor allem aber unter dem Druck des objektiven Faktums, dass die Steuer- und Abgabenbelastung Rekordhöhen erreicht hat, bleibt der Finanzminister bei einem defensiven "Nein".

Versuchen wir, die objektiven Gegebenheiten grob zu skizzieren: Frühere Steuersenkungen waren in Wirklichkeit unvollständige Reparaturen der "kalten Progression"; sie wurden überdies großteils auf Schulden finanziert. Dieser Weg steht heute wegen der zu hohen Schuldenlast nicht offen.

Wie groß wäre überhaupt das Volumen einer Steuersenkung? Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes, hält für eine "echte" Steuersenkung, von der auch Mittel- und Besserverdiener etwas haben, zehn Milliarden für notwendig. Bleiben wir bescheiden: Die Regierung hat sich als Ziel die Senkung des "Einstiegssteuersatzes" von 36,5 Prozent auf 25 Prozent gesetzt. Das kostet laut Finanzministerium 4,5 Milliarden.

Woher nehmen? SPÖ, ÖGB, Arbeiterkammer, Grüne, Attac etc. kampagnisieren massiv für eine Vermögenssteuer (laut SPÖ auf alles, was über eine Million Vermögen liegt, laut ÖGB und Grüne ab 500.000). Das Problem dabei: Als SP-Klubobmann Andreas Schieder noch Finanzstaatssekretär war, bezifferte er den Ertrag einer solchen Steuer mit 1,5 bis zwei Milliarden. Also nicht einmal die Hälfte der Erfordernis, um den Eingangssteuersatz zu senken.

Dieses Faktum wird teils ausgeblendet, teils von linken Ökonomen im Vorfeld von AK und ÖGB geleugnet: Dort glaubt man, von den "Reichen" in Österreich vier bis fünf Milliarden abkassieren zu können.

Auf der bürgerlichen Seite (ÖVP, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung) lehnt man Vermögenssubstanzsteuern ab: Das wäre keine Steuersenkung, sondern nur Umverteilung (manche können sich allerdings eine höhere Grundsteuer vorstellen). Hier will man das Geld vor allem durch Strukturreformen hereinbekommen: Einbremsen der Staatszuschüsse zu den Pensionen (die bis 2018 um 25 Prozent auf zwölf Milliarden steigen werden). Oder Einbremsen des Wachstums bei den Beamtenpensionen (auch plus 25 Prozent). Das bedeutet aber, das effektive Pensionsantrittsalter wirklich anzuheben (ein Jahr später in Pension = eine Milliarde). Außerdem Verwaltungsreform und eine massive Kürzung der Förderungen (derzeit 15 Milliarden).

Um so etwas zu stemmen, bedürfte es einer anderen Regierung. Außerdem greifen diese Maßnahmen erst mittelfristig. Herauskommen wird wohl eine Mischung aus ein paar Einsparungen und Steuererhöhungen (Erbschaftssteuer, höhere Grundsteuer, eventuell stärkere Besteuerung von Energie). Das Volumen der Steuersenkung wird nicht sehr groß sein, und der Effekt wird, wie bisher, relativ rasch verpuffen. Eine wirkliche Systemreform wird wohl nicht gelingen.  (Hans Rauscher, DER STANDARD, 31.5.2014)