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Karlheinz Böhm verstarb am Donnerstag in Salzburg.

Foto: APA/Hase

Wien – Er lebte ein Leben als Schauspieler und ein weiteres als Gründer von Menschen für Menschen. Auf der Filmleinwand und in Äthiopien begeisterte Karlheinz Böhm die Massen, für beides war er auch einiger Kritik ausgesetzt. Am Donnerstag ist der ehemalige "Sissi"-Filmdarsteller und Gründer der Hilfsorganisation Menschen für Menschen im 87. Lebensjahr verstorben.

Geboren am 16. März 1928 in Darmstadt als Kind des Dirigenten Karl Böhm und der Sopranistin Thea Lindhard-Böhm verbringt er als Einzelkind viel Zeit beim Kindermädchen, wie Böhm in seiner Autobiografie "Suchen. Werden. Finden." festhält. In der Schule langweilt er sich "unendlich“. Einen Teil seiner Jugend und des Zweiten Weltkriegs verbringt er im Schweizer Internat, vor dem Einzug in die Wehrmacht drückt er sich mit erschummelten ärztlichen Attesten.

Etwas Ordentliches

Böhm studiert für seine Eltern "etwas Ordentliches", Germanistik und Anglistik, hat aber bereits Theater im Kopf. Die Familie zieht 1948, als der Vater wieder als Dirigent arbeiten darf, nach Wien. Über seine Eltern erhält er Kontakt zu dem Schauspielerpaar Paula Wessely und Attila Hörbiger, die kurz vor dem Dreh des ersten Nachkriegsfilms "Der Engel mit der Posaune" stehen. Regisseur Karl Hartl nimmt ihn auf Bitten der Schauspieler als Mädchen für alles. Er besucht die Schauspielschule, arbeitet daneben als Filmregieassistent.

Böhm kommt zum Burgtheater, als er für einen Kollegen im "Faust" als Gärtner einspringen soll, bringt aber keinen Ton hervor. Das Theater in der Josefstadt nimmt ihn trotzdem, zweieinhalb Jahre bleibt er dort. Es wird zu seiner "künstlerischen Heimat", wie er selbst später formuliert. An der Josefstadt nimmt Böhm 1983 dann auch wieder Abschied von der Bühne, seine letzte Theaterrolle hat er in Hofmannsthals "Der Schwierige".

Anfang der 50er-Jahre übernimmt Böhm immer wieder kleine Rollen beim Film, zum Beispiel neben Hildegard Knef in "Alraune". Die Filme, die er in den Jahren macht, nennt Böhm "leichte Kost", darunter etwa "Salto Mortale". Auf dem Flug zur Premiere in Hamburg lernt der 25-Jährige seine erste Frau, Elisabeth Zonewa, kennen. Vier Monate später heiraten die beiden.

Beginn der wahren Selbstbefreiung

1955 kommt Böhms erste Tochter zur Welt. Die Ehe mit Zonewa wird 1957 wieder geschieden. Wenige Monate später heiratet Böhm Schauspielkollegin Gudula Blau, mit der er drei Kinder haben wird. In dieser Zeit herrscht bereits ein enormer Rummel um seine Person: Karlheinz Böhm hat als Kaiser Franz Joseph in den "Sissi"-Filmen mit Romy Schneider die Massen begeistert. Böhm ist in die Schweiz gezogen, dreht aber international, zum Beispiel in Paris und London "Too Hot to Handle". Hollywood wird auf den feschen Österreicher  aufmerksam.

Es folgt "Peeping Tom". Böhm spielt einen Frauenmörder - ein totaler Imagewechsel und Riesenskandal damals. Böhm hat bereits einen Vertrag bei MGM in Hollywood in der Tasche, dreht aber lauter Filme, mit denen er nicht zufrieden ist. Für "Rififi in Tokio" weilt er drei Monate in Japan und verliebt sich in Kollegin Barbara Lass – damals Roman Polanskis, später Böhms dritte Frau. Lass zieht zu Böhm nach Cureggia, 1964 kommt das gemeinsame Kind Kathi zur Welt.

In den Siebzigern steht Böhm für Regisseur Rainer Werner Fassbinder (zum Beispiel "Martha") vor der Kamera, spielt in diesen Jahren aber auch wieder mehr Theater.

1981 sterben innerhalb weniger Monate sein Vater und dann seine Mutter. "Erst der Tod meiner Eltern war der Beginn meiner wahren Selbstbefreiung", hält Böhm später fest. Es ist das Jahr, in dem sich sein Leben radikal verändert. Böhm ist 53 Jahre alt.

Es begann bei "Wetten, dass..?"

Am 16. Mai 1981 wettet Karlheinz Böhm bei "Wetten, dass..?", dass nicht einmal jeder dritte Zuschauer eine D-Mark für notleidende Menschen in der Sahelzone spendet, und verspricht, in Afrika zu helfen, wenn er die Wette verliert. Böhm behält Recht, gewinnt also die Wette. Trotzdem kommen 1,2 Millionen D-Mark zusammen, und trotzdem fliegt Böhm mit dem Geld nach Äthiopien. Noch im selben Jahr gründet er die Organisation Menschen für Menschen (MfM). Rund 30 Jahre später hat MfM etwa 700 Mitarbeiter und einen Jahresetat von mehr als 20 Millionen Euro.

Eines Tages stellt sich bei MfM eine toughe Agrarexpertin vor. Sie beeindruckt den 36 Jahre älteren Böhm. Nach drei gescheiterten Ehen wird Almaz Böhms "Liebe meines Lebens". 1991 heiraten die beiden, sie bekommen zwei Kinder und leben in Grödig bei Salzburg. Lange Zeit arbeitet Almaz Böhm im Hintergrund von MfM. Kritiker meinen, die Organisation sei zu sehr auf die eine Führungsperson konzentriert. Im Herbst 2007 wird "Mister Karl", wie viele Äthiopier zu ihm sagen, bei einem Autounfall auf dem Weg nach Addis Abeba verletzt, danach reist der inzwischen 79-Jährige seltener nach Afrika.

2008 wird Almaz Böhm geschäftsführende Vorsitzende der Stiftung, im November 2011, zum 30-Jahr-Jubiläum der NGO, übernimmt sie von ihrem  Mann den Stitungsvorsitz. "Ich weiß", sagt dieser damals, "dass meine Frau mit genauso viel Energie und mit noch mehr Einfühlungsvermögen als ich die Arbeit in Äthiopien fortführen wird."

Diese Energie benötigt sie: Die Hilfsorganisation gerät 2013 wegen eines angeblich überteuerten Bürobaus in Addis Abeba in die Schlagzeilen. Weitere Vorwürfe werden laut, die Glaubwürdigkeit der NGO ist angekratzt. Karlheinz Böhm ist 85 Jahre alt, sein letzter öffentlicher Auftritt liegt Jahre zurück. Nun ist es an seiner Frau, das Lebenswerk ihres Mannes unbeschadet durchzubringen, was viel Kraft erfordert: Die Organisation muss sich gegen Vorwürfe der mangelnden Transparenz und Verschwendung eines ehemaligen Spenders wehren. Im Sommer 2013 teilt sie mit, dass sie das Spendensiegel behält. Am Donnerstag ist Karlheinz Böhm nach langer, schwerer Krankheit in seinem Haus in der Nähe von Salzburg gestorben. (Gudrun Springer, derStandard.at, 30.5.2014)