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"The Pursuit of Bling" der Nigerianerin Otobong Nkanga in den KunstWerken: Edelsteine und Schmuck verweisen auf einen globalen Zusammenhang.

Foto: EPA/Gambarini

Das Prinzip der Berlin Biennale 8 begreift man am besten, wenn man nach der Arbeit von Tarek Atoui sucht. Da gibt einem der Saaldienst im Museum Dahlem nämlich den Hinweis: "Hier links, dann einmal durch den Islam ganz nach hinten, und dann die Treppe hoch." Einmal durch den ganzen Islam und eine Treppe später stellt man fest: Die Arbeit von Tarek Atoui befindet sich in der Musikethnologie, nur leider nicht heute. Sie ist nämlich ein Konzert, das erst am darauffolgenden Tag stattfinden wird.

Nun, sei's drum, der Ausflug in den Südwesten der Stadt hat sich auch so schon gelohnt. Denn wann nützt man schon die Gelegenheit, einmal die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin zu besichtigen? Aber damit wird es heute auch wieder nichts, denn es sind ja die Arbeiten der teilnehmenden Künstler der Berlin Biennale, derentwegen der Besuch unternommen wurde. Sie befinden sich zum Teil zwischen den Exponaten aus entfernten Weltgegenden.

Carsten Höller stellt sie in ein Stroboskoplicht, Wolfgang Tillmans bespielt mit einer Installation die vorhandene Vitrinenanlage. Rosa Barba hat in einen großen, leeren Raum eine wuchtige Projektionsanlage gestellt, durch die ihr einstündiger Film Subconscious Society läuft, eine Meditation über vertrocknende Landschaften und eine "soziale Zeit" der Steine. Dazwischen viel Grafisches und eine sehr schöne neue Arbeit von Tacita Dean, in der sie einmal mehr das Medium des analogen Films mit dem Industriezeitalter in Verbindung bringt.

Die Werke haben es schwer neben dem zentralen Manöver, das der kanadisch-kolumbianische Kurator Juan A. Gaitán sich ausgedacht hat. Er schickt das Publikum quer durch die Stadt. Das ist nicht nur bei der Berliner Biennale gute Sitte, dieses Mal steckt hinter der Exkursion aber eine kritische Pointe. Denn die Sammlungen des Museums Dahlem sollen dereinst vom Rand ins Zentrum rücken, wenn nämlich einmal das Berliner Stadtschloss neu errichtet ist. Das wird dann eine barocke Fassade haben, aber ein Humboldt-Forum beherbergen, und dort sollen die Kanus, Totemmasken, Langhäuser und Kopfschmucke einziehen.

Die Besucher der Berlin Biennale 8 sollen, wenn sie den Vorschlägen der Kuratoren folgen, auch einmal die Institutionengeschichte der bürgerlichen Kunst nachvollziehen. Der Weg beginnt im Museum Haus am Waldsee, beinahe schon an der Stadtgrenze, ein idyllisches Gebäude, in dem Matts Leiderstam zeigt, dass Bilder auch eine Rückseite haben, auf der das verzeichnet ist, was die noble Präsentation verschweigt: Besitzverhältnisse, die oft mit den Konjunkturen der politischen Macht einhergehen.

Vom Haus am Waldsee führt der Weg über Dahlem ins Stadtzentrum, wo die KunstWerke das angestammte Quartier der Biennale sind. Hier wird besonders deutlich, dass Gaitán seine kleine Stadtgeografie noch durch mindestens ein anderes Konzept überformt hat. Die Berlin Biennale 8 widmet sich eingehend kleineren Formen, es gibt sehr viele Zeichnungen und serielle Bildarbeiten zu sehen. Zugleich ist eine Installation wie In Pursuit of Bling von Otobong Nkanga bezeichnend für eine Tendenz zu Materialsammlungen, denen durch ein großes Thema ein sehr offener Zusammenhang zugeschrieben wird.

Bling ist ein umgangssprachliches Wort für Schmuck und Edelsteine, die irgendwo auch aus der Erde kommen müssen. So stellt sich ein globaler Zusammenhang her, den die aus Nigeria stammende Künstlerin fragmentarisch auf dekorative Bedürfnisse bezieht.

Shopping-Mall

Kleine Form, große Zusammenhänge und Ortsspezifik bringt keine Ausstellung leicht unter einen Hut. Das konnte man etwa auch bei der documenta 12 von Bürgel/Noack sehen, an die bei der Berlin Biennale 8 manches erinnert. Eine der gescheitesten Arbeiten ist eine, die man leicht übersehen könnte, weil man über sie drüberläuft. Olaf Nicolai hat für Szondi/Eden ein Bodenornament aus einer Shopping-Mall in Lichtenberg nach Dahlem übertragen und dazu noch ein paar Leuchter in den Raum gestellt, der eigentlich ein Durchgang ist. Er fügt der Biennale damit, neben der Anspielung auf einen berühmten Mustererkennungstest, eine ironische Note hinzu. Denn für manche Berliner, geschweige denn den internationalen Kunstjetset, ist Lichtenberg fast schon außereuropäischer als Nigeria oder am Ende sogar der ganze Islam. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 30.5.2014)