Die Rede von US-Präsident Barack Obama in voller Länger.

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Angehörige der Militärakademie West Point warten auf den Präsidenten.

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Obama: "Amerika muss führen"

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Spannung auf der Tribüne während der Präsidentenrede.

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Weiße Mützen, weiße Schärpen, steingraue Uniformjacken: Wenn die Militärakademie West Point ihre Kadetten entlässt, bietet sie eine Kulisse, vor der amerikanische Präsidenten schon immer gern Reden hielten. In West Point skizzierte George W. Bush 2002, neun Monate vor dem Einmarsch im Irak, seine Strategie präventiver Militärschläge: Man müsse die Schlacht zum Feind tragen, bevor die Bedrohung ihr schlimmstes Ausmaß erreiche. Barack Obama nutzte die Abschlussfeier auf den Klippen über dem Hudson River, um deutlich zu machen, wie hoch die Latte liegen muss, bevor er Soldaten in die Ferne beordert.

„Es ist absolut wahr, dass amerikanischer Isolationismus im 21. Jahrhundert keine Option ist“, betont der Präsident. Aber zu sagen, dass man Frieden und Freiheit auch jenseits der eigenen Grenzen anstrebe, bedeute nicht, dass jedes Problem eine militärische Lösung habe. Seit dem Zweiten Weltkrieg hätten die USA ihre fatalsten Fehler immer dann begangen, wenn sie gewillt waren, sich in bewaffnete Abenteuer zu stürzen, ohne die Konsequenzen zu durchdenken.

Realpolitiker Obama

„Harte Worte taugen für Schlagzeilen, aber der Krieg richtet sich selten nach Slogans“, sagt Obama und zitiert Dwight Eisenhower, den General und späteren Staatschef, der 1947 erklärte, dass Krieg die tragischste und aberwitzigste aller Dummheiten sei.

Der Realpolitiker im Oval Office, der Eisenhower ebenso wie den alten George Bush gern als Vorbild für bedachtsames Handeln heranzieht, hält eine Grundsatzrede. Es ist der Versuch, Mittelwege zu finden zwischen spürbar verstärkten isolationistischen Tendenzen und der Attitüde des Weltpolizisten. Der Spagat in einem Land, das kriegsmüde ist und schon deshalb eine neue Bescheidenheit fordert.

Kritiker schlagen Alarm

Nach einer Umfrage des renommierten Pew-Instituts unterschreiben 52 Prozent der Amerikaner den Satz, dass sich die USA „um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und andere Staaten allein zurechtkommen sollen, so gut sie es können“. Eine Mehrheit für diese Aussage hatte es zum letzten Mal 1964 gegeben. Andererseits schlagen Kritiker Alarm. Unter Obama, lautet ihre Kritik, zögen sich die Vereinigten Staaten immer mehr vom Weltgeschehen zurück. Das Vakuum füllten andere, etwa China und Russland. Die Rede in West Point ist eine Antwort darauf.

Amerika müsse führen auf der Weltbühne, stellt Obama klar. „Wenn wir es nicht tun, wird es kein anderer tun.“ Das Militär bleibe das Rückgrat dieser Führungsrolle, doch Zurückhaltung sei angebracht: „Nur weil wir den besten Hammer haben, heißt das nicht, dass jedes Problem ein Nagel ist.“ Die USA würden sich bewaffneter Gewalt nur dann bedienen, notfalls auch im Alleingang, wenn ihre Kerninteressen es verlangten, wenn ein Feind sie direkt bedrohe oder die Sicherheit ihrer Alliierten gefährdet sei. Sonst müsse man auf Partner setzen.

Ukraine und Iran als Beispiele

Es sind zwei Beispiele, die Obama herausstellt, um seinen Ansatz zu unterstreichen. Erstens die Ukraine-Krise, wo es gemeinsam gelungen sei, Russland zu isolieren. Zweitens die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm, bei denen sich eine echte Chance zum Durchbruch biete. Skeptiker spielten die Effizienz multilateralen Handelns herunter. „Für sie ist es ein Zeichen von Schwäche, wenn man in internationalen Institutionen arbeitet oder das Völkerrecht respektiert. Ich glaube, sie liegen falsch.“

Schließlich Syrien, für Kritiker das Beispiel für die Passivität eines zaudernden Präsidenten, der rote Linien ziehe, ohne sie ernst zu nehmen; der Raketenschläge androhe, um sie in letzter Minute abzublasen. Obama will im Kongress um Finanzspritzen für die Nachbarn Syriens bitten. Ohne konkret zu werden, deutete er Hilfe für die Moderaten unter den Rebellen an. Der entscheidende Satz aber ist dieser: „Es wird keine militärische Lösung geben, die das furchtbare Leiden in naher Zukunft beenden kann.“ (Frank Herrmann, DER STANDARD, 30.5.2014)