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Die bei uns heimische Dornfinger-Spinne - sie hat während des heißen Sommers 2006 für eine regelrechte Hysterie gesorgt - verfügt über zwei veritable Kieferklauen. Anhand der Amerikanischen Wanderspinne haben Forscher nun diese widerstandsfähigen Werkzeuge genauer untersucht.

Foto: APA/STEFAN LOKSA

Wien/Potsdam - Die Beißwerkzeuge von Spinnen sind wahre Meisterwerke der Natur: Sie durchdringen den harten Chitinpanzer von Beuteinsekten und spritzen eine Mischung aus Gift und Verdauungssäfte in ihre Opfer. Die Kieferklauen sind so konstruiert, dass sie diese Aufgabe zuverlässig und möglichst unbeschadet erledigen, zeigt die im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichte Analyse eines deutsch-österreichischen Forscherteams.

Die Evolution hat im Laufe der Zeit eine unüberschaubare Vielfalt von Materialien, Strukturen und Formen hervorgebracht und kombinierte diese für den jeweiligen Einsatzzweck, wie die Cheliceren von Spinnen zeigen. Dabei handelt es sich um eine zu einem Mundwerkzeug umgewandelte Extremität im Kopfbereich. Die konusförmigen Klauen, durch die der Giftkanal läuft, sind einige Millimeter lang und gebogen, ihre Wand ist an der Basis dicker als an der Spitze.

So wie die Panzer der Beutetiere besteht die Spinnenklaue aus Chitin und Proteinen. "Doch die Bauweise der Klaue ist daran angepasst, den Panzer zu durchdringen und dabei selbst so gut wie nie Schaden zu nehmen", sagte Yael Politi vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. Die Wissenschafterin hat mit ihren Kollegen vom Max-Planck-Institut, Benny Bar-On und dem Österreicher Peter Fratzl, sowie dem emeritierten Spinnenexperten Friedrich Barth von der Universität Wien die Biophysik der Kieferklaue untersucht, mit der die Amerikanische Wanderspinne (Cupiennius salei) ihre Opfer zur Strecke bringt.

Ideale Form

Die Wissenschafter entwickelten ein Modell der Klaue und testeten deren mechanischen Belastungen. Zudem simulierten sie andere mögliche Klauen-Designs, etwa die Form einer gebogenen zylinderförmigen dünnen Nadel. "Wie unsere Simulation zeigt, macht die Form die Giftklaue bei relativ geringem Materialaufwand sehr steif", sagt Bar-On.

Das todbringende Werkzeug wird zudem an der Spitze maximal beansprucht, wenn die Spinne es auf einer Kreisbahn in die Beute schlägt. Bei der Simulation der gebogenen Nadel tritt bei dieser Bewegung die größte Belastung dagegen an der Basis auf. Würde sie beim Biss in die Beute dort brechen, wäre die Spinne ihre Jagdwaffe für immer los, weil diese nicht nachwächst. Bei einem Schaden der natürlichen Kieferklaue geht allenfalls ihre Spitze verloren. Mit dem verbleibenden Stumpf hätte die Spinne immer noch Jagdchancen.

Unterschiedliche Chitinlagen

Auch die innere Struktur der Giftklaue sorgt für Stabilität. In der äußeren Schicht der Klaue wechseln sich Chitinlagen ab, in denen die Fasern jeweils parallel liegen, wobei sich wie bei einer Sperrholzplatte die Richtung der Fasern von einer Lage zur nächsten ändert. In einer mittleren Schicht laufen die Fasern dagegen alle parallel zu der Richtung, in der die Klaue in den Beutepanzer stößt. Eine innere Schicht der Klaue, die den Giftkanal umschließt, ist wieder aus gegeneinander verdrehten Chitinlagen aufgebaut.

"Diese Struktur der Klaue kann die tatsächlichen Belastungen sehr effektiv abfangen", sagte Bar-On. Sie hält dem Druck beim frontalen Aufprall stand, widersteht aber auch Scherspannungen. Dank der Modellsimulationen können die Forscher Erklärungen vorschlagen, warum die Evolution der Spinnenklaue genau das Design gegeben hat, das sie nun hat - warum die Giftklaue also die Form eines Konus aufweist und nicht wie der Stachel einer Wespe nadelförmig gebaut ist.

Die Wissenschafter wollen künftig Entwicklungen aus dem Labor der Natur auf diese Weise analysieren. Daraus könnten sich auch Anhaltspunkte ergeben, wie sich bioinspirierte Vorrichtungen für Injektionen in Medizin und Technik verbessern lassen. (APA/red, derStandard.at, 7. 6. 2014)