Wien - Werner Faymann bietet den Medien seine Mitarbeit an. Wer "diebische Freude" daran habe, Kritiker in der SPÖ aufzutreiben, dem könne er gern zehn, 20 Kandidaten nennen, sagt der Parteichef nach dem Ministerrat am Dienstag. Denn von rund 2000 Mandataren sei wohl immer mehr als einer anderer Meinung als er.
Einer davon ist der burgenländische Landesrat Peter Rezar. Dieser hatte den Kanzler im "Kurier" als Hauptschuldigen für den verfehlten ersten Platz bei der EU-Wahl ausgemacht. Verspielte Glaubwürdigkeit und lauwarme Politik warf Rezar seinem Parteichef vor, der von der ewig versprochenen Millionärssteuer kein bisschen durchgesetzt habe.
Gewichtige Mitstreiter warfen sich umgehend für Faymann ins Zeug. Als "Abputzen" empfindet Klubchef Andreas Schieder Rezars Kritik, Verkehrsministerin Doris Bures zeigte sich gar "empört". Auch einige rote Landeschefs üben zwar inhaltliche Kritik, wollen dem Kanzler aber nicht die alleinige Schuld für den Ausgang des Wahlsonntags umhängen. Doch hinter der Mauer der Mächtigen schließt sich mancher Genosse dem Kern der Kritik an.
"Kampflos aufgegeben"
Thomas Pupp, Vizeklubchef der Tiroler SPÖ, etwa hält das mäßige Abschneiden bei der EU-Wahl für ein Resultat der sozialdemokratischen Politik der vergangenen Jahre: "Es fliegt uns jetzt um die Ohren, dass wir auf unsere Kernwerte vergessen haben und darin versagen, sie zu transportieren." Stichwort Bildung, Vermögenssteuer und Entlastung des Mittelstandes. Pupp fordert den Kanzler auf, endlich Durchsetzungsstärke zu beweisen und beklagt fehlendes Engagement beim Bemühen um einen roten EU-Kommissar: "Dass wir hier in den vergangenen Jahren kampflos aufgegeben haben und diesen wichtigen Posten der ÖVP überlassen, ist mir völlig unverständlich."
Der Kanzler müsse der ÖVP "die Zähne zeigen", sagt Vorarlbergs SP-Chef Michael Ritsch: "Wir dürfen uns nicht von der VP in den Schwitzkasten nehmen lassen" - notfalls müsse man sich für die Steuerreform freie Mehrheiten im Parlament suchen.
Auch in Kärnten regt sich Unmut. SP-Landesgeschäftsführer Daniel Fellner geht dabei weiter als Landeshauptmann Peter Kaiser, der seine Forderung nach einer Steuerreform erneuert hat: "Nach diesem Wahlergebnis kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen." Man erwarte sich von der Regierung eine "klare sozialdemokratische Handschrift", sagt Fellner, der das aber nicht als Kritik an einzelnen Personen, etwa gar an Parteichef Faymann, verstanden wissen will.
Ähnlich reagiert Wiens Bürgermeister Michael Häupl: "Ich glaube nicht, dass der Kanzler schuld ist." Aber die SPÖ werde an Taten gemessen und "man kann in vier Monaten EU-Wahlkampf nicht alles aufholen, was man in fünf Jahren verabsäumt hat", weiß Häupl. Für eine Steuerreform plädiert auch der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl, wenn er es auch für keinen guten Stil hält, nach der Wahl eine "unnotwendige" Diskussion zu führen. Kritik gehöre vorher geäußert. Vielleicht tut sich der steirische SP-Landesgeschäftsführer Max Lercher deshalb hörbar schwer damit, die Arbeit der Bundes-SP zu beurteilen. Ob Faymann schuld am Wahlergebnis sei? "Jeder Mensch macht Fehler", sagt Lercher, aber "eine Parteireform brauchen wir auf jeden Fall."
Hingehaltene Funktionäre
"Deprimiert" seien die Leute ob des uneingelösten Versprechens der Steuerentlastung, glaubt die Nationalratsabgeordnete Daniela Holzinger und meint nicht zuletzt die eigenen Funktionäre: "Die sollen für die Partei rennen, obwohl sie so lange hingehalten werden." Statt der eigenen Glaubwürdigkeit solle die SPÖ eher den Pakt mit der ÖVP aufs Spiel setzen: "Wenn wir die Steuersenkung nicht durchsetzen, muss man die Koalition infrage stellen. Was sollen wir denn überhaupt schaffen, wenn nicht das?" Auch Holzinger will das Problem nicht an einer Person festmachen, schließt sich aber Mandatar Josef Muchitsch an, der auf Facebook schrieb: "Wer jetzt von unseren SPÖ-Verantwortlichen nicht handelt, muss seine Funktion zurücklegen."
Das Koalitionsende denken auch Julia Herr, Chefin der Sozialistischen Jugend, und der Kärntner Arbeiterkammerpräsident Günther Goach an. Letzterer will auch eine Koalition mit der FPÖ nicht ausschließen: "Man soll Koalitionen grundsätzlich bilden, um für die Leute etwas zu tun - egal mit welcher Partei." Er glaube bloß nicht, "dass das mit der FPÖ möglich ist". Heute, Mittwoch, will auch der ÖGB der Regierung Beine machen und eine Kampagne für eine Steuerreform beschließen. (red, DER STANDARD, 28.5.2014)