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Hinter der Fassade brodelt es: SPÖ-Spitze

Foto: apa/schlager

Es war ein Vorwurf, den rote Wahlkämpfer oft zu hören bekamen. "Ihr schützt uns zu wenig!", hätten viele Menschen geklagt, erzählt Werner Faymann. Auf die Angst vor Arbeitslosigkeit und Abstieg, räumt der Parteichef ein, habe die SPÖ nicht immer überzeugende Antworten gefunden.

Die Folge war am Wahlsonntag zu spüren: Die Kanzlerpartei stagnierte am historischen Tiefststand von rund 24 Prozent, das Plus wird auch inklusive Wahlkarten nicht über Zehntelprozentpunkte hinausgehen. Der angepeilte erste Platz blieb außer Reichweite.

"Kein Angebot für Wechselwähler"

Meinungsforscher Günther Ogris wundert dies nicht wirklich. Schon während des Wahlkampfes konnte der Leiter des Sora-Instituts nicht erkennen, wo die ersehnten Zuwächse herkommen sollen: "Die SPÖ hat kein Angebot für Wechselwähler gemacht." Das sei auch dem Spitzenkandidaten nicht gelungen, der - so der Demoskop - weder die Befürchtungen, noch die Hoffnungen Realität werden ließ: Laut der Sora-Daten konnte Eugen Freund entgegen vieler Bedenken bei den Kernschichten durchaus punkten, entfaltete aber nicht die von ihm erwartete Strahlkraft über die Parteigrenzen hinaus.

Dabei hatten Freund und die SPÖ durchaus ein Thema: Tatsächlich empfinden viele Sympathisanten die EU-Politik als stures Spardiktat unter neoliberaler Dominanz. Doch auch dieser Inhalt habe nur bei Stammwählern gegriffen, sagt Ogris, zumal sich die anderen Parteien ebenfalls einen sozialen Touch verpassten: "Der SPÖ ist es nicht gelungen, klare Unterschiede zu benennen." Eine zwischen den Zwängen auf EU-Ebene und den Erwartungen der Basis hin und her gerissene Parteiführung tut sich da schwer: Einerseits wettert Faymann gegen das Kaputtsparen - andererseits hat er den Fiskalpakt und andere Sparvorgaben in Brüssel abgenickt.

"Destruktive haben es leichter"

"Erklären Sie so eine differenzierte Haltung einmal auf einem Plakat", stöhnt ÖGB-Boss Erich Foglar, "da haben es Parteien mit destruktiven Botschaften entschieden leichter." Angesichts dieser Umstände und viel neuer Konkurrenz am Wählermarkt, sagt der Gewerkschafter, "ist es heute schon ein beachtlicher Erfolg, das Ergebnis zu halten".

Norbert Darabos tun solche Sätze gut. Der Wahlkampfleiter hatte schon vor dem jüngsten Urnengang intern nicht die beste Nachred'. Die in früheren Tagen erworbenen Vorschusslorbeeren konnte der von der Bürde des Verteidigungsministeriums erlöste Bundesgeschäftsführer bisher nicht bestätigen - schon die Nationalratswahl war enttäuschend verlaufen. Für Darabos spricht allerdings das Momentum: Eine Demontage würde das maue Resultat vom Sonntag öffentlich erst recht wie eine Niederlage aussehen lassen. Präsidiumsmitglieder bestätigen denn auch, was Faymann offiziell versichert: Darabos' Ablöse sei kein Thema gewesen.

"Die Nachrichten von meinem Ableben sind verfrüht", sagt der Kampagnenchef denn auch gut gelaunt: "Ich will nicht überheblich klingen: Aber seit langem ist kein Bundesgeschäftsführer mehr so fest im Sattel gesessen."

Im eigenen Saft brodeln

"Schmerzlich" sei der verpasste erste Platz dennoch, sagt Darabos und diagnostiziert ein "Mobilisierungsproblem". Vielen älteren Wählern, stärkste Gruppe im sozialdemokratischen Elektorat, sei die Wahl "nicht wichtig genug" gewesen, um hinzugehen - und mancherorts hätten die lokalen Funktionäre auch nicht genügend nachgeholfen: "Die Aktivitäten waren nicht überall gleich stark."

Bei den Jungwählern unter 29 Jahren rangiert die SPÖ ohnehin nur mehr auf Platz drei hinter den Grünen und der FPÖ, was kritische Köpfe in der Partei auf ein Bündel an Problemen zurückführen: versteinerte Strukturen, die sich neuen Gesellschaftsschichten verschlossen, ein uniformes Personal in der Führungsriege, das abseits der Kernklientel niemanden anziehe. Wie eine "schnarchige Partie, die im eigenen Saft brodelt", wirke die SPÖ vielerorts, sagt ein Vorstandsmitglied, das ungenannt bleiben will, dazu komme ein akutes, koalitionären Zwängen entspringendes Glaubwürdigkeitsproblem: "Eine Partei, die ihre eigenen Themen absticht, indem sie Bildung propagiert, dann aber genau dort Einsparungen zulässt, braucht sich über Misserfolg nicht wundern." (Gerald John, DER STANDARD, 27.5.2014)