Foto: Studien Verlag

Als Georg Knepler Anfang 2003 mit 96 Jahren starb, war das in den meisten österreichischen Medien – wenn überhaupt – nur eine kürzere Notiz wert. Schließlich hatte der gebürtige Wiener ab 1949 mehr als sein halbes Leben zuerst in der DDR und nach dem Fall der Mauer im vereinigten Deutschland verbracht.

Georg Knepler in den 1950er-Jahren, als er Rektor der Hochschule für Musik in Berlin war
Foto: Familienarchiv John Knepler

Anderswo schätzte man die Bedeutung Kneplers weitaus höher ein. Die linksliberale britische Tageszeitung "The Guardian" etwa brachte einen umfangreichen Nachruf
auf den „lebenslangen Marxisten“, der von 1934 bis 1945 in London das Wiener Kabarett am Leben erhalten habe und einer der Organisatoren des „Vienna Centre“ war – nebst zahlreichen anderen Aktivitäten im englischen Exil.

Begleiter von Kraus und Weigel

1906 in Wien in einer Musiker-Familie geboren, studierte Georg Knepler Klavier, Komposition und Dirigieren, absolvierte an der Universität Wien auch noch ein musikwissenschaftliches Studium, das er 1931 mit einer Arbeit über Brahms abschloss. Damit nicht genug, begleitete er daneben auch noch Karl Kraus bei dessen Offenbach-Lesungen am Klavier und war auch noch Korrepetitor und Dirigent an der Wiener Volksoper.

1931 übersiedelte Knepler nach Deutschland, wo er mit Bert Brecht und Hanns Eisler zusammenarbeitete und Helene Weigel, die Frau von Bert Brecht, am Klavier begleitete – „zu laut“, wie Hanns Eisler übrigens meinte. Knepler war es auch, der Brecht verständigte, nachdem die Nazis Helene Weigel festgenommen hatten.

Kurz nach der Flucht aus Wien 1933 wurde der Kommunist Knepler 1934 auch in Wien von den Austrofaschisten verhaftet, konnte aber nach London emigrieren, wo er die nächsten elf Jahre verbrachte, die Exil-Bühne "Laterndl" musikalisch leitete und auch seine Kenntnisse der Werke von Marx vertiefte. Nach dem Krieg kehrte er zunächst nach Wien zurück; als Jude und Kommunist hatte der Kulturreferent der KPÖ freilich keine Chance auf eine Karriere an der Universität.

Karriere in Ostberlin

Die bot ihm die DDR, wohin er – wie etliche andere Kulturschaffende aus Österreich auswanderte. Knepler war Rektor der Hochschule für Musik und danach Leiter des musikwissenschaftlichen Instituts an der Humboldt-Universität, wo er eine marxistische Musikwissenschaft begründete. Sein Verhältnis zur DDR-Führung war indes alles andere als  friktionsfrei, wie Gerhard Oberkofler und Manfred Mugrauer in ihrer politisch recht linientreuen, aber umso materialreicheren Biografie Kneplers belegen.

Erst nach der Wende erschien dessen vielleicht wichtigstes musikwissenschaftliches Werk, seine Studie „Wolfgang Amadé Mozart“, in der er sich dem Komponisten aus konsequent marxistischer Perspektive annäherte. Und diese Perspektive behielt er bis zu seinem Tod bei, was ihn nicht daran, sich in späten Jahren für seinen revolutionären Übereifer zu entschuldigen.

Jazz als "Unkultur"

In den 1950er-Jahren etwa schrieb er, dass die US-Unterhaltungsmusik „das Chaos“ sei, „nicht nur die Kriegsvorbereitung, sondern der Krieg“.  Und Jazz war für den damaligen Tanzmusik-Verantwortlichen der DDR „die Unkultur der Wall-Street-Gangster“, was nicht ohne musikpolitische Folgen blieb. Solche ideologisch bedingten Verfehlungen nahm er später reuig zurück.

So kam es auch, dass selbst die konservative deutsche Tageszeitung „Die Welt“ 2003 einen langen, nachgerade bewundernden Nachruf auf Georg Knepler veröffentlichte. Der Titel des Nekrologs lautete übrigens „Der Mann, der den richtigen Ton fand“. Diesem Mann, der auch in der DDR seine österreichische Staatsbürgerschaft beibehielt, ist nun durch die Biografie von Oberkofler und Mugrauer endlich auch in Österreich eine adäquate Würdigung widerfahren. (derStandard.at, 27.05.2014)