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Die Grünen zeigten sich am Sonntag begeistert über das Wahlergebnis

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Die Grünen von Maria Vassilakou haben am Sonntag die FPÖ von Heinz-Christian Strache und ÖVP-Chef Manfred Juraczka (li.) deutlich hinter sich gelassen.

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Wien - Ganz Europa rückt nach rechts. Ganz Europa? Nein. Das gallische Dorf der gestrigen Wahl heißt Wien. Solide 28 Prozent für die SPÖ, aber vor allem: Fast 21 Prozent für die Grünen, der höchste Wert aller Zeiten in der Bundeshauptstadt.

Noch verblüffender wird das Ergebnis, wenn man in die Bezirke hineinzoomt. Innerhalb des Gürtels grünt es ja schon länger grün – aber stimmenstärkste Kraft im schwarzen Währing, im roten Hernals und im roten Rudolfsheim-Fünfhaus, damit war nun wirklich nicht zu rechnen. Zehn Mal gab es am Sonntag für die Grünen Platz eins in einem Bezirk, genau so oft wie für die Roten; und das, obwohl die Partei derzeit nur einen Bezirksvorsteher stellt, nämlich in Neubau.

Logisch, dass die Wiener Grünen am Montag irgendwo zwischen Freude und Fassungslosigkeit taumelten. Es ist schon der zweite große Erfolg in diesem Jahr – nach dem Ja zur Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße im Februar. Angesichts der Gemeinderatswahl 2015 träumt so mancher Grüner schon in Richtung 20 Prozent – zum Vergleich: Bei der Wien-Wahl 2010 waren es "nur" 12,6 Prozent. Die rationaleren Geister verweisen auf die 300.000 Wiener, die zwar 2010 an der Gemeinderatswahl, aber gestern nicht an der Europawahl teilgenommen haben. Viele von ihnen mutmaßliche – weil nicht EU-interessierte – FPÖ-Wähler.

Vassilakous Amtsbonus

Eine grün-interne Rechnung besagt: Sollten drei oder vier Prozent jener 300.000 Personen 2015 die Grünen wählen, dann wird sich das Resultat in Richtung 15 Prozent bewegen. Damit wäre man dann beim Ergebnis der Gemeinderatswahl 2005, dem bisher besten in Wien. Was man als Faktor jedenfalls mit einberechnen muss: Erstmals nehmen die Grünen den Amtsbonus der Vizebürgermeisterin mit in den Wahlkampf. Maria Vassilakou mag sich als prononcierte Verkehrspolitikerin in der Stadt nicht nur Freunde gemacht haben; aber die Wiener kennen sie und wissen genau, wofür sie steht. Wie viele rote Stadträte können das schon von sich behaupten?

So wird die SPÖ nach der Gemeinderatswahl 2015 kaum an den Grünen als Koalitionspartner vorbeikommen, denn der Traum von der Rückeroberung der absoluten Mehrheit bleibt wohl – ein Traum. Das EU-Wahlergebnis ist ein solides, wenngleich die Genossen nicht in Jubelgeheul ausbrechen. Die Wahl 2015 könnte deutlich schmerzhafter werden als die gestrige, selbst den Vierer vor dem Ergebnis sehen viele Meinungsforscher wackeln.

Die Ansage „Five more years“ wird es von der Rathauskoalition dennoch nicht geben. Zu zerrissen sind die Wiener Roten, zu tief die Gräben zwischen der Bobo- und der Betonfraktion, zu wenig durchsetzungskräftig Bürgermeister Michael Häupl. Er ist das Bollwerk gegen Rot-Blau; gerade in den Flächenbezirken würde freilich so mancher Genosse diese Konstellation lieber sehen als Rot-Grün. Genau dort findet auch der größte Wähleraustausch zwischen SPÖ und FPÖ statt. So votierten am Sonntag etwa 30 Prozent der Simmeringer für die Freiheitlichen.

Solide ÖVP

Als solide darf auch das ÖVP-Wahlergebnis in Wien betrachtet werden; rund 16 Prozent, ein kleines Minus, aber kein Vergleich zu der Watsch’n, die die Schwarzen bei der Gemeinderatswahl 2010 kassiert haben. Es folgten Zank, Hader, noch mehr Zank – und mit Manfred Juraczka ein neuer Parteichef, der zwar parteiintern halbwegs gut dasteht, aber deutlich optimierungswürdige Bekanntheitswerte nach außen hat.

Abgesehen davon: Außer, dass sie meistens dagegen ist– siehe Parkpickerl-Ausweitung und Mariahilfer Straße – spüren die Wiener wenig von der ÖVP. Und man darf darauf zählen, dass die Stadtschwarzen sich wieder verstärkt ihrem Lieblingssport widmen werden, je näher der Wahltag rückt: dem munteren Hackl-ins-Kreuz-werfen.

Tröstlich für Juraczka ist hingegen das Wahlergebnis der Neos, denen in Wien im Vorfeld der Europawahl kaum jemand ein zweistelliges Ergebnis abgesprochen hätte. 8,5 Prozent sind es geworden, wohl nicht zuletzt, weil die rot-grüne Konkurrenz den Neos erfolgreich das Image der Privatisierer umhängen konnte – und das will der gelernte Wiener halt so gar nicht.

Eine weitere Erkenntnis aus der EU-Wahl: Schwarz und Pink sind nur dort korrespondierende Gefäße, wo es ganz und gar erwartbar ist; etwa in der Wiener Innenstadt, wo die Neos auf 13 Prozent kamen – hauptsächlich auf Kosten der ÖVP. Ähnlich das Ergebnis in der Josefstadt und in Währing. Außerhalb der bürgerlichen Hochburgen konnten die Neos aber überhaupt nicht punkten.

Blaues Fragezeichen

Bleibt das wohl größte Fragezeichen des Wiener Wahlergebnisses: das verhältnismäßig kleine Plus der FPÖ, die - Wahlkarten-Prognose miteingerechnet - mit etwa 18 Prozent deutlich unter dem Bundes-Ergebnis blieb. Und das ausgerechnet in der Heimat des omnipräsenten Bundesobmanns Heinz-Christian Strache, der formal auch immer noch die Wiener Partei leitet.

Freilich: EU-Wahl, das bedeutet für die Freiheitlichen per se ein Mobilisierungsproblem. Andererseits haben die Blauen 2015 fast 26 Prozent zu verteidigen. Es könnte sich á la longue also doch rächen, dass das blaue Personal – abgesehen von Straches Wiener Statthalter Johann Gudenus – unterhalb der Wahrnehmungsschwelle agiert. Oder, anders gefragt: Wer kann schon aus dem Stand die drei nicht-amtsführenden Stadträte der FPÖ benennen? (26.5.2014, Andrea Heigl, derStandard.at)