Großvater Rau väterlicherseits, noch in der Monarchie geboren, war einmal in seinem langen Leben in einem anderen Land: im Ersten Weltkrieg, während der letzten k. u. k. Offensive in Oberitalien. Dann nie wieder. Die Großmütter blieben sowieso zu Hause.

Vater Rau kam in sehr jungen Jahren sehr weit: bis in die Kalmückensteppe. Tourveranstalter war die Deutsche Wehrmacht. Als dann in den 1950er-Jahren die Frage eines Urlaubs außerhalb Österreichs auftauchte, wagte sich das Ehepaar zögernd nach Italien. Dann vergingen 20 Jahre, bis man wieder so weit war. Wieder Italien. In der Pension dann ein wenig Abwechslung: Slowenien, einmal nach Prag, einmal sogar ins exotische Amsterdam. Das war's.

Die Nachfolgegeneration und noch viel mehr deren Nachfolgegeneration bewegen sich ganz selbstverständlich durch Europa. Auch durch die ganze Welt, aber für die meisten ist Europa noch um einiges selbstverständlicher.

Man ist fasziniert von den USA, von China, Afrika, Südamerika - aber in Europa gibt es ein gemeinsames Grundgefühl. (Fast) niemand hat noch ein ungutes Gefühl, wenn er in ein anderes, fremdes europäisches Land reist. Die meisten wissen nicht genau, was Belgier, Litauer, Kroaten oder Spanier jetzt genau denken. Aber sie wissen, dass die wichtigsten Werte - Frieden, Rechtsstaat, Demokratie, soziales Denken - in Europa Allgemeingut sind. Das beruhigt irgendwie. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 24.5.2014)