Auf die Frage in der ORF-Wahlrunde, was denn eine Mindestpensionistin von der EU habe, geriet die Neos-Kandidatin Angelika Mlinar zuerst ins Stottern, dann brach es aus ihr heraus: "Scheiße, das ist schwierig."

Ist es auch. Von der Senkung der Roaminggebühren, den Entschädigungen bei Überbuchungen durch die Fluglinie und anderen konsumentenfreundlichen EU-Entscheidungen hat die österreichische Mindestpensionistin persönlich wenig. Nach dem EU-Beitritt sind wegen des Wettbewerbs die Preise von Konsumgütern gesunken; allerdings ist der österreichische Markt jetzt wieder bei Lebensmitteln eine Hochpreisinsel.

Die Vorteile für die Mindestpensionistin sind letztlich indirekt: Die EU-Mitgliedschaft Österreichs ist schlicht gut bis überlebensnotwendig für die Wirtschaft, das ist wieder gut für die Finanzierung des Sozialstaates. Dass ihre Kinder und/oder Enkelkinder sich in diesem Raum generell freier entfalten (Studium, Arbeit) können, kommt noch dazu.

Angelika Mlinar hätte trotzdem so argumentieren können/müssen, aber sie ist offenbar leicht aus dem Konzept zu bringen. Dazu kommt, dass sie wohl auch gar kein besonderes Konzept für den Wahlkampf hatte, denn sonst wäre sie nicht bei einer früheren Diskussion in die Wasserprivatisierungsfalle gegangen.

Aber das war schon immer das Kunststück des alten Liberalen Forums, von dem Frau Mlinar kommt: Bürgerliche Sympathisanten mit (für diese) zu radikalen und auch irrelevanten Themen verschrecken.

Aber auch die eigentlichen Neos um Mathias Strolz müssen dringend auf die Reset-Taste drücken. Die Neos wurden zu Hoffnungsträgern für eine gebildete, leistungsstarke, moderner denkende Schicht, denen ÖVP, SPÖ, Wirtschaftskammer, ÖGB und Arbeiterkammer zu dröge, die Grünen zu staatsgläubig und die FPÖ zu rechts und kulturlos sind.

Dieses Potenzial wird derzeit nicht genutzt, sondern mit aktionistischen Kindereien verspielt.

Die Neos hätten Michael Spindeleggers Budgets im Parlament scharf analysieren, mit sachlicher Kompetenz in der Luft zerreißen müssen; stattdessen verließen sie das Hohe Haus. Nur hat in der SPÖ oder ÖVP jemand Begabung für treffende Boshaftigkeit und platzierte pinkfarbene Freizeitutensilien und Botschaften ("Bin Bäume umarmen - euer Mathias") auf den leeren Sitzplätzen.

Mathias Strolz macht im Gespräch geltend, dass es dem politischen Gegner gelungen sei, die Neos auf thematische Nebenschauplätze zu drängen. Mit den "eigentlichen" Themen will man wieder Tritt fassen - autonome Schulen, Neuregelung des Pensionssystems und Finanzierung des Föderalismus.

Bei der Begründung, warum die Neos die Budgetdebatte im Parlament boykottierten, klingt Empörung und Überraschung durch, wie man denn so abgefeimt sein kann, das Budget noch einmal mit teils windigen Einnahmenerhöhungen aufzubessern. Aber das sind ja genau die Methoden und Mentalitäten, deretwegen die Neos überhaupt entstanden sind, erste Erfolge erzielten und warum sie ein größeres Potenzial haben.

(Hans Rauscher, DER STANDARD, 24.5.2014)