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Nur wenig, was die Rechtspopulisten behaupten, stimmt. Doch nicht alles, was sie sagen, ist falsch.


Foto: AP/Petrovar

Kindergeldbetrüger seien sie, die Einwanderer aus Osteuropa, poltert die rechtspopulistische United Kingdom Indepence Party (UKIP) seit Monaten. Bettelnde Romabanden, Sozialschmarotzer, Armutsmigranten - kaum ein Thema bestimmte derart den Ton im Europawahlkampf wie Zuwanderung.

Auch die deutsche CSU wollte es sich nicht nehmen lassen und warnte vor dem Untergang des Sozialstaates, weil seit Jänner Rumänen und Bulgaren in der gesamten EU arbeiten dürfen.

In Österreich machte diese Woche noch einmal die FPÖ im Nationalrat Stimmung gegen Einwanderer ("Lohndumping!", "Verdrängung heimischer Arbeitskräfte!"), in Deutschland fühlte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüßigt, noch schnell klarzumachen, dass "die EU keine Sozialunion ist". Hartz IV, also Arbeitslosengeld, soll kein EU-Bürger mehr bekommen, der sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhält.

Es sind etablierte Ängste und soziodemografische Tatsachen, die sich hier die Hand reichen. Fakt ist, die Arbeitslosigkeit in den süd- und osteuropäischen Ländern ist weiterhin eklatant hoch. Spitzenreiter bei der Armut sind laut Eurostat Bulgarien (44 Prozent) und Rumänien (30 Prozent), gefolgt von Lettland (26 Prozent), Ungarn (26 Prozent) und Litauen (20 Prozent). Zum Vergleich: In Österreich leben vier Prozent der Bevölkerung in absoluter Armut.

Mit steigender Zuwanderung aufgrund von Personenfreizügigkeit verschärfen sich in manchen Regionen die Probleme, etwa bei der Unterbringung Obdachloser oder beim Wohnraum. Das geht aus einem Zwischenbericht zur Armutsmigration hervor, den die deutsche Bundesregierung Ende März vorgestellt hat.

Mobilität ohne Anspruch

Doch die Freiheit, sich überall in Europa zur Arbeit niederlassen zu können, ist nicht gleichbedeutend mit freien Sozialleistungen, da hat Merkel schon Recht: Nur, wer eine sogenannte Anmeldebescheinigung besitzt, kann Sozialleistungen beanspruchen. Die Anmeldebescheinigung bekommt wiederum nur, wer ein Einkommen bezieht oder einen finanziellen Polster vorweisen kann.

Was also steckt hinter der Debatte? Zum Stichtag 1. Jänner 2014 leben in Österreich laut Statistik Austria 12.553 Bulgaren im erwerbsfähigen Alter, von denen knapp 45 Prozent ein Einkommen haben. Im Jahresdurchschnitt haben 460 Bulgaren Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen.

Von den 46.289 Rumänen gingen 65 Prozent arbeiten, durchschnittlich 2618 Personen bekamen Transferzahlungen. Für alle gelten die gleichen Bestimmungen wie für Österreicher - wer keine Beiträge eingezahlt hat, bekommt auch kein Geld.

Laut Arbeits- und Sozialministerium sind Bulgaren (11,9 Prozent) und Rumänen (11,8 Prozent) zwar öfter arbeitslos als Österreicher (7,2 Prozent), finden dafür aber schneller wieder einen Job.

Innerhalb der Union liegt der Anteil der arbeitslosen EU-Migranten bei 0,7 bis 1 Prozent, zeigt eine Studie der EU-Kommission vom Oktober 2013 zu den Auswirkungen der Arbeitsmigration auf die Mitgliedstaaten.

Das Sozialministerium rechnet mit 5000 bis 6000 zusätzlichen Rumänen und Bulgaren, die in diesem Jahr nach Österreich kommen, konkrete Zahlen werden kommende Woche veröffentlicht. Gleichzeitig sind 2012 mehr als 10.000 Menschen in die beiden Länder zurückgekehrt.

Welche Grundlage hat es, dass allerorts das Bild der Osteuropäer strapaziert wird, die unsere Sozialsysteme ausbeuten? Das deutsche Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schlussfolgert, die Zahlen ließen nicht auf "pauschale Armutszuwanderung" schließen. Gleichzeitig werde die Zuwanderung steigen. Die Arbeitsmarktpolitik solle daher auf die Vermittlung gering Qualifizierter fokussieren. ´(Julia Herrnböck, DER STANDARD, 24.5.2014)