Wien - Bereits seit geraumer Zeit machen der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt - die Einrichtung ist mit offiziell 921 Haftplätzen das größte Gefängnis des Landes - personelle Engpässe beim Wachpersonal zu schaffen. Die mangelnden personellen Ressourcen haben gestern, Donnerstag, dazu geführt, dass keine Vorführungen stattfinden konnten. Sämtliche Besuche in der Vorführzone mussten gestrichen werden.

Dass Insassen und vor allem frisch in die JA eingelieferte Häftlinge damit nicht mit ihren Rechtsvertretern sprechen konnten, ist für Richard Soyer, einen der Sprecher der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen "eine schwerwiegende Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Betroffenen", wie er am Freitag gegenüber der APA erklärte. Noch schärfere Worte fand Heinz Patzelt, Österreich-Generalsekretär von Amnesty International (ai): "Das bedeutet Alarmstufe Rot für das Justizsystem."

"Schwerwiegende Grundrechtsverletzung"

Es könne nicht hingenommen werden, "wenn frisch Verhaftete nicht umgehend mit ihren Anwälten und in angemessener Zeit mit ihren Familien in Kontakt kommen können, weil die Justiz nicht über ausreichendes Personal verfügt", betonte Patzelt im Gespräch mit der APA. Er ortete "ganz klar eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung". Diese sei mit fehlenden Beamten nicht zu rechtfertigen: "Vorher wäre in der Justizanstalt alles andere zu streichen gewesen." Dass Häftlinge sich mit ihren Rechtsvertretern beraten können, sei "unterstes zentrales Basic eines menschenrechtkonformen Justizsystems", meinte Patzelt.

Strafverteidiger, die regelmäßig im Wiener Straflandesgericht und der angrenzenden JA Josefstadt zu tun haben, berichten schon seit Wochen über Probleme in der Vorführzone. Anwälte müssen demnach oft stundenlang auf ihre Häftlinge warten, um sich mit diesen besprechen zu können, weil es zu wenig Justizwachebeamte gibt, um die Insassen aus ihren Zellen in die Vorführzone zu bringen. Informationen der APA zufolge kursiert in der Anwaltschaft mittlerweile eine Unterschriftenliste, mit der die Verteidiger bei Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eine Reaktion auf die aus ihrer Sicht untragbaren Zustände bewirken möchten.

Vollzugsdirektion weist zurück

Seitens der Strafvollzugsdirektion hat Christian Timm am Freitag die Kritik in Bezug auf die Justizanstalt Josefstadt zurückgewiesen. "Es ist unrichtig, dass keine Vorführungen stattfinden konnten", sagte er zur APA. So hätten am Donnerstag 46 Vorführungen zu Verteidigern und 25 zu anderen Gerichtspersonen stattgefunden.

Von den behaupteten Umständen habe die Vollzugsdirektion erst durch die Meldung der APA erfahren. Timm dazu: "Es gab sonst nichts, keine Nachricht." Wenn man etwas erfahren hätte, hätte man sofort entsprechend reagiert.

Am Donnerstag habe es in der Zeit von 11.40 Uhr bis 14.00 Uhr aufgrund der Personalkapazitäten eine Einschränkung der Vorführungen gegeben, nicht zuletzt durch sehr kurzfristig angesetzte Vorführungen. "Es ist aber keine einzige gewünschte Vorführung abgewiesen worden", sagte der Vertreter der Vollzugsdirektion. Vielleicht hätten die Anwälte länger warten müssen. Es habe eine einzige Äußerung eines Anwalts gegeben, der meinte, sich beschweren zu wollen.

Timm sagte darüber hinaus, er könne nicht bestätigen, dass Anwälte oft stundenlang bei Vorführungen auf ihre Häftlinge warten müssten. Man habe aber angeordnet, dass Anwaltsbesuche zu den absoluten Basics des Anstaltsbetriebs zu zählen sind und dafür notfalls andere Bereiche, zum Beispiel die Betriebe, etwas zurückgefahren werden.

Weitere Suspendierungen nicht ausgeschlossen

Minister Brandstetter schließt weitere Suspendierungen in der Affäre rund um die Justizanstalt Stein nicht aus. Das sagte Brandstetter am Freitag in der Budgetdebatte. Dabei kündigte er auch an, dass die nun geplante Reform des "Maßnahmenvollzugs" für psychisch kranke Straftäter Geld kosten werde. Daran dürfe die Reform aber nicht scheitern.

Am Dienstag war ein schwerer Fall von Vernachlässigung eines Häftlings bekannt geworden, der in Stein im Maßnahmenvollzug untergebracht war. Der 74-jährige soll von der Justizwache erst versorgt worden sein, als aus der Zelle bereits Verwesungsgeruch verströmte. Drei Beamte wurden suspendiert. "Es kann durchaus sein, dass es noch weitere Suspendierungen gibt", sagte Brandstetter. Dies sei kein Urteil über die Betroffenen, aber die Aufklärung müsse unbeeinflusst geschehen.

"Das kann und darf nicht passieren und wenn es passiert, muss es eben die entsprechenden Konsequenzen geben", sagte der Justizminister zum Fall Stein. Lob für sein Vorgehen gab es sowohl von SP-Justizsprecher Hannes Jarolim als auch vom Grünen Albert Steinhauser ("das Krisenmanagement hat funktioniert") und vom Freiheitlichen Johannes Hübner. Letzterer lobte das Vorgehen des Ministers als "sachlich und korrekt", kritisierte aber die Grünen, die darauf hingewiesen hatten, dass einer der Suspendierten FP-Kandidat für die EU-Wahl ist.

Brandstetter kündigte an, dass noch morgen ein Gerichtspsychiater die Situation in Stein beurteilen und berichten werde, in welchem Umfang psychiatrische und medizinische Kapazitäten erweitert werden müssten. Klar sei aber, dass die Reform des Maßnahmenvollzugs Geld kosten werde - etwa für höhere Honoraransätze für Gerichtspsychiater. Denn der Grundsatz Therapie statt Strafe könne zwar an seine Grenzen stoßen, aber: "Wenn es dabei nur um die Grenzen der Finanzierbarkeit geht, dann müssen wir diese Grenzen sprengen." (APA, 23.5.2014)