Die Idee ist einfach, aber ziemlich wirkungsvoll. Und sie scheint das menschliche Auge an der Nase herumzuführen: Wird der massive Baukörper an der Wiener Straße in Purkersdorf tatsächlich nur von einem Wald aus Birkenstämmen getragen?

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Zwar liegt auf den etwa 280 Baumstämmen samt Rinde keinerlei statische Last, dennoch ist ihre prominente Verwendung mehr als nur eine optische Spielerei. So dienen die Birken als Sicht- und Sonnenschutz und sorgen zudem für eine angenehme, warme und vor Einblicken geschützte Atmosphäre in den naturnahen Ordinationsräumlichkeiten des orthopädischen Arztes.

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Zusätzlich zur ebenerdigen Praxis befinden sich im oberen Stockwerk drei Wohnungen. Um den Lärm der angrenzenden Straße abzufedern, sind diese nur durch kleine, atriumartige Einschnitte belichtet, die zugleich als Terrasse genutzt werden.

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Auf diese Weise entsteht zur Straße hin eine gewisse Intimität, die die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum verschwimmen lässt. Eine kontrollierte Wohnraumbelüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt zudem für ein angenehmes Klima im Haus.

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"Natürlich hätte man auch herkömmliche Sichtschutzlamellen anstatt der Baumstämme verwenden können", sagt der zuständige Architekt Juri Troy. "Aber dieses Projekt ist sehr auf den Auftraggeber zugeschnitten, und dieser legte großen Wert auf eine warme, angenehme Atmosphäre am Arbeitsplatz sowie auf einen hohen Wiedererkennungsfaktor."

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Die Birkenstämme stammen übrigens aus einem Wald in der Nähe von Amstetten, wo sie bei Mondschein geschlägert, gelagert und erst ein halbes Jahr später am Gebäude verbaut wurden. Um die Schnittflächen trocken zu halten, wurden die Baumstämme nicht direkt auf den Boden gestellt, sondern mit einem kleinen Abstand zu Boden und Decke montiert.

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Die Birke gilt als langlebiges, robustes Holz und sollte deshalb mehrere Jahrzehnte halten.

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Langfristige Erfahrungswerte gibt es jedoch noch nicht, denn die Ordination Krugluger, nicht weit von Josef Hoffmanns denkmalgeschütztem Sanatoriumsbau aus dem Jahr 1905, ist Troys erstes Projekt, in dem er Birke als Gestaltungselement miteinplante. Sollten die Baumstämme in zehn oder 20 Jahren wider Erwarten ausgetauscht werden müssen, wäre dies für den Auftraggeber unproblematisch. Theoretisch könnte er die massiven Birkenstämme sogar als Brennholz wiederverwenden.

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Auch in den Innenräumen der Praxis - die Ordinationsräume lassen sich barrierefrei erreichen - ist das Holz der Birke allgegenwärtig und kommt beispielsweise in Form von Möbeln ein weiteres Mal zum Einsatz. Und es überrascht nicht, dass auch im Garten zahlreiche Birkenbäume gepflanzt wurden. So entsteht für die Ordinationspatienten der Eindruck, als würden sie sich mitten in einem Birkenhain befinden.

Vielleicht ist die natürliche Atmosphäre in der Arztpraxis ja bereits der erste Teil der Therapie. Die kreative architektonische Lösung jedenfalls beweist, dass auch nur die Illusion eines Birkenwäldchens Wohlgefühl erzeugen und glücklich machen kann.

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Zahlen & Fakten

  • Adresse: Wiener Straße 39, 3002 Purkersdorf

  • Bauherr: Josef Krugluger

  • Architekt: Juri Troy Architects, Wien/Bregenz

  • Grundstücksfläche: 1.409 m²

  • Nutzfläche Ordination: 222 m²

  • Nutzfläche Wohnungen: 205 m²

  • Nutzfläche Keller: 260 m²

  • Heizwärmebedarf: 56 kWh/m²a

  • Bauzeit: Dezember 2012 bis September 2013

(Michael Hierner, DER STANDARD, 24.5.2014)

Link

www.juritroy.at

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