Bild nicht mehr verfügbar.

Der "Schokoladenkönig" und Milliardär Petro Poroschenko (re.) führt in allen Umfragen mit großem Abstand. In ihm sehen viele Ukrainer das geringste Übel.

Foto: reuters

"Einiges Land", "Auf neue Art leben" oder "Ich beschütze die Ukraine" - diese Slogans sind überall auf Plakaten und im Fernsehen zu sehen. Am Sonntag wählt die Ukraine ein neues Staatsoberhaupt. Noch nie seit der Unabhängigkeit 1991 hat eine Abstimmung unter so starkem Druck stattgefunden. Prorussische Separatisten im Osten haben damit gedroht, die Wahl zu stören. Und bei Gefechten zwischen Regierungstruppen und prorussischen Kräften sollen dort laut den Separatisten allein am Donnerstag mindestens 20 Menschen getötet und mehr als 42 verletzt worden sein.

Bereits jetzt ist klar, dass in den Regionen Lugansk und Donezk nicht alle Bürger an den Wahlen teilnehmen können. Das räumte die Zentrale Wahlkommission in dieser Woche ein. Doch trotz der unruhigen Lage im Osten wollen 82 Prozent der etwa 36 Millionen Wahlberechtigten am Sonntag ihre Stimme abgeben.

"Legt die Waffen nieder" - mit diesem Appell forderte der deutsche Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger die russische und die ukrainische Seite auf, das Wahlwochenende friedlich verlaufen zu lassen. Der 68-Jährige ist im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine unterwegs und versucht, alle Konfliktparteien zu einem Dialog zu bewegen.

Ende des Konflikts als Thema

Eine Befragung der größten Tageszeitung, Segodna, machte deutlich, dass es für die meisten Ukrainer bei dieser Wahl um die Beendigung der Streitigkeiten innerhalb des Landes und mit Russland geht sowie um die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation.

Anders als in der West- und Zentralukraine ist die Bevölkerung in Lugansk und Donezk verunsichert. In vielen Wahlbezirken habe es bisher keinerlei Wahlvorbereitungen gegeben. In Lugansk seien nur 26 Prozent der Wahllisten vorhanden, in Donezk 16, hieß es. Die meisten Unterlagen sind von Separatisten geplündert worden. Täglich gibt es Meldungen, wonach Wahlhelfer massiv von Gruppen bedroht werden.

Um das höchste Staatsamt bewerben sich 18 Kandidaten. In Umfragen liegt der Oligarch Petro Poroschenko zwischen 36 und 48 Prozent weit vorn, dahinter folgen weit abgeschlagen die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko und der ehemalige Wirtschaftsminister Sergej Tigipko. Auffallend ist die Schwäche der bisherigen Regierungspartei von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch: Der Kandidat Michail Dobkin liegt bei knapp fünf Prozent.

Die Wahlen könnten große Überraschungen bereithalten, die selbst Experten vor zwei Monaten für ausgeschlossen gehalten haben. Zum einen droht Janukowitschs Partei der Regionen nach mehr als zehn Jahren an der Macht der Untergang. Zum anderen könnte dem politischen Urgestein Julia Timoschenko eine empfindliche Niederlage beschert werden. Sollten sich die Umfragen bewahrheiten und Timoschenko deutlich unter zehn Prozent der Stimmen bekommen, wäre das ihre bisher größte politische Niederlage. Sie hatte bei vergangenen Wahlen Werte zwischen 48 bis 25 Prozent erreicht.

Als Grund für Poroschenkos hohe Umfragewerte geben die Meinungsforscher den Wunsch nach Veränderung an. Auch wenn Poroschenko kein Politikneuling ist, "sehen die Menschen in ihm das kleinere Übel", schreibt die Internetzeitung Ukrainiska Prawda.

Unklar blieb, ob und in welcher Höhe die Menschen in den Regionen Lugansk und Donezk vom Wahlrecht Gebrauch machen. Um Störungen zu verhindern, haben die OSZE und andere Institutionen rund 2800 Wahlbeobachter registrieren lassen. Das Kiewer Innenministerium wird 75.000 Kräfte, darunter 55.700 Polizisten, bereitstellen, um die Wahlen zu schützen. Die Nato vermutete unterdessen erste Anzeichen für einen Rückzug russischer Truppen an der Grenze. (Nina Jeglinski aus Kiew, DER STANDARD, 23.5.2014)