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Angela Merkel steht zwar nicht zur Wahl, die CDU wirbt aber trotzdem fleißig mit ihr. 60 Prozent der Deutschen interessieren sich wenig oder gar nicht für die EU-Wahl. Foto: Reuters / Thomas Peter

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Der EU-Wahlkampf der CDU ist ein bisschen paradox. Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der die CDU auch gehört, ist auf Plakaten praktisch nicht zu sehen. Auch den deutschen CDU-Spitzenkandidaten David McAllister, findet man wenig. Dafür lächelt Kanzlerin Angela Merkel an vielen Ecken auf die Deutschen hernieder und erklärt: "Gemeinsam erfolgreich in Europa".

Merkel steht natürlich gar nicht zur Wahl. Aber in der CDU gilt sie immer noch als das größte Zugpferd - auch in diesem faden EU-Wahlkampf. Jetzt, im Finish, hat sie sich mit einer scharfen Kritik an "Sozialmissbrauch" durch EU-Ausländer zu Wort gemeldet. Die EU sei "keine Sozialunion" erklärt sie in einem Interview mit der Passauer Neuen Presse (PNP).

Dass sie dafür eine bayerische Zeitung gewählt hat, ist kein Zufall. Seit langem fordert die Schwesterpartei CSU mit dem Slogan "Wer betrügt, der fliegt", entschiedener gegen jene EU-Bürger vorzugehen, die nach Deutschland kommen, um hier Sozialleistungen zu erhalten. Auch sie wolle "Hartz IV nicht für EU-Bürger zahlen, die sich allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten", stellte Merkel klar.

Hartz IV ist die deutsche Grundsicherung aus Steuermitteln, die Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern zusteht. Grundsätzlich ist die Bundesrepublik verpflichtet, Zuwanderern aus allen EU-Staaten diese Sozialleistungen zu zahlen - wenn sie keine Arbeit finden.

Allerdings hat der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof gerade in einem Gutachten erklärt, dass Deutschland "Armutszuwanderern" die Leistung dann verweigern dürfe, wenn die Personen nur nach Deutschland kommen, um hier staatliche Leistungen zu kassieren.

Merkel kündigte nun neue Gesetze an, um "bestmöglich Missbrauch ausschließen zu können". So soll fünf Jahre lang mit einem Wiedereinreiseverbot belegt werden, wer beim Missbrauch von Sozialleistungen erwischt wird.

SPD-Vize warnt

Die anderen Parlamentsparteien sind über die Aussagen der Kanzlerin empört. "Wenn Angela Merkel jetzt kurz vor der Europawahl wie auch die CSU versucht, den Konkurrenzkampf mit den Rechtpopulisten zu gewinnen, indem sie Teile von deren Inhalten übernimmt, wird das auf entschlossenen Widerstand der Sozialdemokratie stoßen", sagt SPD-Vizechef Ralf Stegner.

Die Grünen sprechen von "populistischem Wahlkampfgetöse", die Linke kritisiert die "rechtspopulistische Wahlkampfwelle", auf der Merkel surfe.

In Deutschland wird - wie auch in Österreich - am Sonntag gewählt. Zwar ist Martin Schulz, Spitzenkandidat der Sozialisten Europas und der SPD, in seinem Heimatland nicht unpopulär. Dennoch liegen CDU/CSU in Umfragen mit 40 Prozent klar vor den Sozialdemokraten (25 Prozent). Dies entspricht auch dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl vom 22. September.

Mit Sorge blicken die beiden großen Parteien auf das Abschneiden der Eurogegner von der Alternative für Deutschland (AfD). Diese liegt in Umfragen bei sechs Prozent. Ins Europaparlament wird sie auf jeden Fall Vertreter schicken können. Denn bei dieser Wahl gilt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland keine Drei-Prozent-Hürde mehr.

Laut Bundeswahlleiter sind für ein Mandat rund 0,5 Prozent (130.000 Stimmen) nötig. Chancen auf den Einzug ins EU-Parlament können sich auch die Freien Wähler und die Tierschutzpartei machen. Deutschland schickt von allen europäischen Staaten die meisten Vertreter (insgesamt 96) ins EU-Parlament. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 23.5.2014)