Eine Hadza-Frau studiert für Forscher ihr soziales Netz.

Foto: Coren Apicella

Immer wieder geistern die Hadza durch die Medien. Aktuell im Standard ("Besitz macht ökonomisch unvernünftig", 21. Mai 2014) als eines "der letzten Jäger-und-Sammler-Völker dieser Erde". Dazu ist zu sagen, dass das Aussterben von Kulturen, die aneignende Wirtschaftsformen wie Jagen und Sammeln betreiben, seit mindestens Anfang des 19. Jahrhunderts vorausgesagt wird - und dass es sie nach wie vor auf allen Kontinenten gibt. Und wenn sie tatsächlich "völlig abgeschieden von der Umgebung leben" könnten, würden sie nicht für absonderliche Projekte von Universitäten zur Verfügung stehen müssen.

"Wovon Kommunisten nur träumen können, ist bei den Hadza eine soziale Norm. Die Männer jagen wilde Tiere, die Frauen sammeln Früchte, das Essen wird geteilt", wird weiter ausgeführt. Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist eben gerade kein kommunistischer Traum, ganz im Gegenteil, der Kommunismus wollte sie überwinden, wollte Frauen stärken und Männer schwächen, um Macht ausüben zu können. Im Übrigen sind geschlechtsspezifische Rollen in allen Kulturen eine soziale Norm, sie zählen zu den menschlichen Universalien.

Und wenn Hadza "am Marktgeschehen gar nicht teilnehmen" und "allem Besitz den Rücken kehren", so steht zu befürchten, dass ihre marktwirtschaftlichen Erlebnisse vor allem im Negativen bestehen. Sie sind die, die stets verlieren: Die britische Kolonialverwaltung, Missionsstationen und der moderne Staat wetteiferten darum, sie sesshaft zu machen, ihre Landrechte müssen sie sich erst erkämpfen, Viehherden und Ackerbau bedrohen ihre Existenz, Alkoholismus ist ein Problem, und Zugang zu sauberem Trinkwasser, medizinischer Versorgung und Bildung ist für sie schwieriger als für andere Bevölkerungsgruppen in Tansania.

Zudem ist der Artikel sprachlich und rechtsanthropologisch unpräzise, gemeint ist nämlich ein Eigentumseffekt und nicht ein Besitzeffekt. Ohne im Besitz von Waffen und Werkzeugen zu sein, lässt sich keine Großwildjagd organisieren, sehr wohl aber, ohne sie im individuellen Eigentum zu haben. Diese Menschen leben demnach nicht besitzlos, sondern allenfalls eigentumslos.

Es könnte genau diese Unterscheidung sein, die die Hälfte von 91 Untersuchten auch zu anderen Keksen und Feuerzeugen greifen lässt, während die im Eigentumsdenken Verhafteten aus industriellen Gesellschaften lieber behalten, was ihnen bereits gehört.

Ein Grund, daraus zu schließen, dass Hadza und andere, die Jagd- und Sammelwirtschaft betreiben, ökonomisch rationaler denken als die Angehörigen von Industrienationen, ist das nicht, dafür sind die Befunde doch wohl zu mager. Als Studienergebnis wird angeführt, "dass der Besitztumseffekt kein universelles Phänomen ist, sondern von der Kultur geprägt wird, in der man lebt". Um zu so einem Forschungsergebnis zu gelangen, braucht man nicht marginalisierte Menschen zu belästigen, die mit der Existenzsicherung schon genug zu tun haben, da würde der Besuch einer erstsemestrigen Vorlesung an einem x-beliebigen sozialwissenschaftlichen Institut genügen. (Ingrid Thurner, DER STANDARD, 23.5.2014)