Foto: thimfilm

Wien - Maria Göttler geht in eine ganz normale Schulklasse. Das bedeutet in ihrem Alter: Viele lesen die Bravo. Doch Maria gehört einer Gruppe von Christen an, für die es sich dabei um eine "schädliche Zeitung" handelt. Und auch sonst hat die Priesterbruderschaft St. Paulus so ihre Schwierigkeiten mit der populären Kultur.

Bei Soul und Gospel denken diese Menschen an Satan und Hölle, von "monotonen Basslinien" geht ihrer Meinung nach eine Verführung zur Unkeuschheit aus - die "zentrale Sünde unserer Zeit". In der Schule gibt es auch Probleme, weil Maria ja nicht zu satanischen Rhythmen im Kreis hopsen soll. Wer bei dieser Konstellation an die Nöte bestimmter muslimischer Jugendlicher oder Vertreter anderer strenger Religionsgruppen denkt, liegt nicht verkehrt.

Christliche Fundamentalisten

Doch das Manöver, auf das die Geschwister Dietrich (Regie und Buch) und Anna Brüggemann (Buch) ihren Film Kreuzweg bauen, holt diese Konflikte in die christliche Religion zurück. Zwar haben sich Marias Glaubensgenossen bewusst von der etablierten Kirche getrennt. Diese "Konzilskirche", die sie für ihre Annäherung an die Welt verachten, lässt Priester bei der Messe ins Volk blicken. Wo die Göttlers beten, da wäre das undenkbar. Alles ist auf Gott ausgerichtet, allerdings erweist sich im Alltag der Satan als fast noch wichtiger.

Maria nimmt es mit dem Glauben aus verschiedenen Gründen besonders ernst. Da ist zum einen ihre Mutter, ein rechter Hausdrachen, den Franziska Weisz mit einigem Mut zu emotionalen Wechselbädern stellenweise bravourös, dann aber auch wieder sehr plakativ spielt. Für einen unbefangenen Beobachter ist diese Mutter das ganze Problem, eine Familientherapie würde am meisten helfen.

Doch Kreuzweg hat ein anderes Programm, und dementsprechend auch Maria. Sie bietet Gott ihr Leben als Opfer, und die Brüggemanns nehmen dieses Opfer an. Ihr Film hat nämlich den Anspruch, die Stationen des Kreuzwegs Jesu nachzuvollziehen. Das ergibt zu Beginn an manchen Stellen interessante Verfremdungen der alltäglichen Wirklichkeit, doch je länger Kreuzweg dauert, desto mehr wird der Film zum Gefangenen dieser einen Idee. Und als Maria dann wie vorgesehen tatsächlich nachmittags um drei Uhr stirbt, ist das Konzept kaum mehr zu ertragen: Filmkunst verkommt zur Parodie der Heilsgeschichte und kassiert für eine billige, formale Pointe die Nuancen und Ambivalenzen ein, die gelegentlich erkennbar waren. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 23.5.2014)