Kognitive Fähigkeiten (vulgo Intelligenz) gelten gemeinhin als wichtige Erfolgszutat und können im Zusammenspiel mit Jugend, Schönheit, guter Herkunft und Ausbildung bekanntlich sogar die (abscheuliche) Neidgesellschaft auf den Plan rufen. Aber ist Intelligenz beim Karrieremachen wirklich unbedingt hilfreich? Wirkt sie sich direkt oder hauptsächlich auf indirektem Weg aus? Und wie wichtig ist sie im Vergleich zu anderen Faktoren?

Bei Betrachtung der einschlägigen Forschungsbefunde zeigt sich recht eindeutig, dass Intelligenz das berufliche Fortkommen fördert. Mehrere Metaanalysen (umfassende statistische Zusammenfassungen früherer Forschungsergebnisse) belegen einen mittelstarken Einfluss von Intelligenz auf das Einkommen, der somit ausgeprägter ist als die Rolle von Persönlichkeitseigenschaften.

Erfolgsgarant?

Trotz dieser Befundlage ist Intelligenz allem Anschein nach kein unbedingter Erfolgsgarant. Zum einen deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass die karriereförderliche Wirkung von Intelligenz weniger auf einem direkten Effekt beruht als sich vielmehr über Umwege manifestiert: Intelligenz begünstigt ein höheres Maß an Aus- und Weiterbildung und zieht einen zu anspruchsvolleren Jobs, was sich dann auch in der Erfolgsbilanz positiv niederschlägt.

Zum anderen ist Intelligenz anscheinend nicht in allen Situationen hilfreich bzw. wird ihr Einfluss auf beruflichen Erfolg von anderen Moderatorvariablen beeinflusst. So ergab eine Studie, dass sich Intelligenz und soziale Kompetenz in ihrem positiven Einfluss gegenseitig verstärken. Im Gegenzug spielt die Intelligenz bei Personen mit geringen sozialen Fähigkeiten kaum eine Rolle für das Einkommen. Bei einer anderen Studie im Verkaufsbereich, wo Intelligenz grundsätzlich einen deutlichen Zusammenhang mit der beruflichen Leistung zeigt, schnitten hochintelligente Personen mit geringer sozialer Kompetenz sogar am schlechtesten ab.

Soziale Durchlässigkeit

Ein weiterer Befund, der einen universell positiven Einfluss von Intelligenz auf Karriereerfolg relativiert: Intelligenz hängt in den USA anscheinend stärker mit beruflichem Erfolg zusammen als in Deutschland (und vermutlich auch Österreich). Ein zentraler Grund dafür könnte in der geringen sozialen Durchlässigkeit des deutschen bzw. österreichischen Schulsystems liegen, in dem Herkunft bisweilen eine ähnlich wichtige Rolle spielt wie Leistung. Ein weiteres potenziell aufschlussreiches Ergebnis: Der Zusammenhang zwischen Intelligenz und beruflichem Erfolg scheint in früheren Zeiten stärker gewesen zu sein.

Last, but not least ist in den einschlägigen Studien der gefundene Zusammenhang mit beruflicher Leistung oft stärker als mit dem (finanziellen) Berufserfolg. Indes: Die Erkenntnis, dass lukrative Geldflüsse zumindest in den richtigen Kreisen bisweilen auch ohne eine auffindbare vorherige Leistung auskommen, dürfte für gelernte Österreicher keine Neuigkeit sein. (Michael Schiffinger, DER STANDARD, 24./25.5.2014)