Von Seiten der Wirtschaft wird gerne postuliert, dass bei der Art der Beschäftigung kein Anlass zur Panik besteht. Vollzeitarbeit bleibe die Norm, von der atypischen Beschäftigungsfront gehe keine Gefahr aus. Der Untergang des Abendlandes ist abgesagt. Hurra!

Frei nach dem Motto "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ wird dabei aber eine Dynamik eher verdeckt als erhellt aufgezeigt: die Verschiebung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigung. Denn dass die Vollzeitbeschäftigung seit Jahren stabil bleibt, ist ein Mythos, der mit Zahlen der Statistik Austria ganz leicht widerlegt werden kann.

Atypische Arbeitsformen im Kommen

Demnach ist der Anteil der Vollzeit zwischen 2004 und 2013 von zirka 80 auf 73 Prozent gesunken – entsprechend jener der Teilzeit von rund 20 auf 27 Prozent gestiegen. Somit ist natürlich die Vollzeitbeschäftigung weiterhin die dominierende Arbeitsform, die atypischen Formen bahnen sich aber zunehmend ihren Weg.

Teilzeit ist Frauensache

Und das Bild spricht eine weit deutlichere Sprache, wenn es nach Geschlechtern betrachtet wird. Ja, es stimmt, dass die Frauenerwerbsquote Wachstum aufweist. Aber verantwortlich für dieses Wachstum sind – erraten – atypische Beschäftigungsverhältnisse. Konkret ist das Plus bei den Frauen seit 2004 nur zu 21 Prozent auf Vollzeitstellen zurückzuführen – und damit nach Adam Riese zu sage und schreibe 79 Prozent auf Teilzeitstellen (inklusive geringfügige Beschäftigung). Bei den Männern lautet das Verhältnis beim Zuwachs übrigens 40 Prozent Vollzeit zu 60 Prozent Teilzeit.

Hätten diese Formen der Beschäftigung tatsächlich – wie ebenfalls von Seiten der Wirtschaft immer wieder konstatiert – integrierende Wirkung, müssten Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse langfristig wachsen und atypische abnehmen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.

Working poor

Mit dieser Entwicklung einhergeht – abgesehen von der Tatsache, dass vor allem Frauen den Weg in die Teilzeit aufgrund von Betreuungspflichten gehen müssen und nicht (immer) wollen bzw. dass in einigen Branchen Vollzeit-Stellen schlichtweg nicht mehr angeboten werden – das unpopuläre Thema Armut. Denn sowohl atypische Beschäftigungsverhältnisse als auch jene Formen der Selbständigkeit, die alles andere als freiwillig gewählt werden, bergen diesbezüglich ein enormes Gefährdungspotenzial in sich.

Dazu gesellt sich ein weiteres Phänomen: ein steigender Einfluss auf die sogenannten "normalen“ Arbeitsverhältnisse. Denn mit dem Anstieg atypischer Jobs hat auch der Sicherheitsbegriff deutlich abgenommen, was wiederum für die "normal“ arbeitenden Menschen spürbar ist – und in einem Anstieg psychischer Belastungen resultiert.

Sozialstaat quo vadis?

Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass die aufgezeigte Entwicklung auch aus dem Blickwinkel der Volkswirtschaft nicht beruhigen kann. Denn sinkende Realeinkommen bedeuten sinkende Sozialabgaben, womit wiederum eine Unterminierung des Sozialstaates verbunden ist.

Ist der Untergang des Abendlandes jetzt noch immer abgesagt? Ja, aber Reformen am Arbeitsmarkt sind dringend nötig. Denn schließlich soll es im Abendland für alle auch ein lebenswertes Morgen geben. (Leserkommentar, Doris Lutz, derStandard.at, 21.5.2014)