Eines der letzten Bilder von Camille Lepage entstand für Ärzte ohne Grenzen. Sie dokumentierte deren Arbeit in der Zentralafrikanischen Republik.

Foto: Camille Lepage

Wien - Als "Kassandra vom Dienst" bezeichnet Reinhard Dörflinger, Präsident von Ärzte ohne Grenzen Österreich (MSF), die Informationsarbeit seiner Hilfsorganisation am Dienstag im Rahmen der Jahrespressekonferenz seiner Organisation. Seit Monaten würden Ärzte und Mitarbeiter von den Massakern im Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik berichten, "aber es passiert nichts! Wir sind alleingelassen."

Die Berichte von Projektkoordinator Marcus Bachmann, bis vor wenigen Wochen in der Stadt Bangui stationiert, sind haarsträubend: Quasi unter den Augen der internationalen Schutztruppen würden Kinder, Schwangere und Alte regelrecht gejagt. Selbst in den Spitälern würden Verletzte aus Rollstühlen und Krankenbetten gezerrt und noch vor Ort und Stelle hingerichtet.

Jagd auf Menschen

"In meiner jahrelangen Arbeit habe ich nie eine Bevölkerung derart in Schrecken und Terror erlebt", erzählt Bachmann. In der Zentralafrikanischen Republik sei die Gewalt regelrecht explodiert. Täglich habe es Angriffe auf das Flüchtlingslager gegeben, spielende Kinder seien mit Handgranaten beworfen worden. "Alles, was ich beschreibe, passierte zuerst im Süden und jetzt im Norden des Landes."

Den rund 8000 Soldaten der Afrikanischen Union, Frankreich und der EU fehle ein klares Mandat. "Es ist ein steter Kampf, dass wir hindürfen zu den Verletzten", beschreibt Bachmann.

Die Gefahr gilt auch den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen: Erst vor wenigen Tagen wurde wieder ein Krankenhaus angegriffen. 16 Menschen starben, darunter drei Mitarbeiter des lokalen Teams von Ärzte ohne Grenzen. In der Vorwoche wurde die Leiche einer jungen Fotojournalistin aus Frankreich gefunden, Camille Lepage, die auch für Ärzte ohne Grenzen fotografiert hat.

Ermittler aus Frankreich

Ob Lepage bei einem Attentat starb oder gezielt umgebracht wurde, weil sie als eine der wenigen die Kriegsverbrechen dokumentierte, ist nicht bekannt. Frankreichs Staatschef François Hollande hat angekündigt, Ermittler zu schicken.

Nach Angriffen auf Mitarbeiter und Entführungen hat sich die Organisation im Vorjahr aus Somalia vollständig zurückgezogen. "Leidtragend ist leider die Bevölkerung", ergänzte Dörflinger. Neben der ständigen Sorge um die Sicherheit habe es zu wenig staatliche Unterstützung gegeben.

Für 2013 zieht die Organisation in Österreich positive Bilanz: 24,3 Millionen Euro wurden für die Arbeit in Krisengebieten gespendet. Einzig die Personalsituation sei sehr angespannt, Mitarbeiter werden dringend gesucht. (juh, DER STANDARD, 21.5.2014)