Wolverine (Hugh Jackman) macht eine Zeitreise und muss sich im Jahr 1973 erst eingewöhnen: "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" heißt das siebente Kinoabenteuer des Comichelden.

Foto: Twentieth Century Fox

Wien - Und dann steht die Zeit plötzlich still: Jedes Geschehen, alle Menschen in dem kleinen Raum sind wie schockgefroren. Bis auf einen, der schnell hie und da eine Patrone aus der Luft pflückt und ein Stück weit versetzt wieder einpasst. Der hier eine Faust, dort ein Gesicht anders platziert - so, dass der Ausgang einer handfesten Konfrontation am Ende zugunsten seiner Verbündeten ausfällt. Jim Croces wehmütige Ballade Time In A Bottle erklingt dazu aus dem Off.

Die Szene ist ein vortreffliches kleines Stück Action aus dem jüngsten, erneut von Bryan Singer inszenierten Abenteuer der X-Men. Wie Zukunft ist Vergangenheit / Days of Future Past, der Titel der neuen 131-minütigen Serienfolge besagt, ist auch dieses mit einer Zeitreise verbunden. Das Jahr 1973 markiert den kritischen Punkt: Zum einen gelingt da einem gewissen Dr. Trask (Peter Dinklage), Erfinder der Sentinels, auf Vernichtung aller X-Men programmierter Kampfmaschinen, ein entscheidender politischer Durchbruch. Zum anderen nimmt die blaugeschuppte Gestaltwandlerin Mystique eine Abzweigung zum Bösen (Jennifer Lawrence bleibt in dieser Rolle weit hinter ihren bisherigen Leistungen).

Der unzerstörbare Kämpfer Wolverine (Hugh Jackman) wird also mitsamt seinen X-Large-Krallen in dieses historische Jahr geschickt und erwacht alsbald im Angesicht einer Lavalampe. Sofort gibt es Arbeit - und die Zeit läuft, denn Wolverines älterer Körper ist in der Gegenwartsebene des Films zurückgeblieben und erlebt die Zeitreise dort bewusstlos als Belastungstest.

Gewöhnliche Fotojäger

Die bekannten X-Men-Frontlinien werden auch in Days of Future Past aufgezogen: einerseits zwischen den titelgebenden Humanoiden mit besonderen Fähigkeiten und den gewöhnlichen Menschen, die 1973 noch hauptsächlich mit Fotoapparaten bewaffnet sind. Andererseits zwischen jenen, die auf friedliche Koexistenz setzen, und den Gewaltbereiten.

Innerhalb der X-Men stehen Professor X (Patrick Stewart) und Magneto (Ian McKellen) für diese Positionen. Die beiden Widersacher haben sich allerdings inzwischen angenähert, und im aktuellen Film treten sie zunächst vereint gegen die völlig emotionslosen Sentinels an (die mit ihren golden schimmernden Mehrfachgebissen gleich zum Auftakt dem jüngst verstorbenen Alien-Erfinder HR Giger Reverenz zu erweisen scheinen).

1973 aber ist das Verhältnis der beiden Masterminds zerrüttet. Während das jüngere Ich von Magneto, verkörpert von Michael Fassbender, im Hochsicherheitsgefängnis einsitzt, haust Professor X (James McAvoy) zurückgezogen und zugedröhnt allein im Gebäude der X-Men-Akademie.

Das Zeitkolorit schlägt sich nicht nur im späthippiesken Erscheinungsbild des Professors (oder in Soundtrack-Beigaben wie Croces Hit) nieder. Allerdings bleibt es trotzdem eher anekdotisch, wenn JFK-Witze fallen oder der Marlboro-Man auf einem Riesenbillboard kleine Rauchwölkchen in die Luft bläst. Das Interesse der Serie an Geschichte und Verwerfungen des 20. Jahrhunderts, das eine Qualität der Filme ausmacht, bleibt hier tendenziell bei den Oberflächen stehen.

Zudem wird die (erste) Gegenwartsebene, in der die letzten X-Men und -Women den Kampf gegen die Sentinels führen, dominiert von recht uninspiriert inszenierten Kampfhandlungen und ein bisschen notwendigem Erklärungsblabla. Auch wenn vor diesem Hintergrund der spektakuläre Showdown in den 1970ern mehr Wirkung entfalten kann - das Gesamtbild bleibt durchwachsen. Die Fanbasis der grundsätzlich sympathischen, fürs Anderssein eintretenden Heldentruppe ist aber sicher groß genug, dass sich die Investition am Ende rechnet. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 21.5.2014)