The winner takes it all: Wäre Scheitern ein Erfolgsmodell, wäre Österreich schon Fußballweltmeister.

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Erfolge stärken den Charakter, das Selbstbewusstsein, die Selbstwirksamkeitsüberzeugung und tragen somit dazu bei, dass die Sieger auch in der nächsten Runde die besseren Karten haben. Jeder Fußballtrainer weiß, dass aus Niederlagen selten etwas zu lernen ist. Wenn Niederlagen stärken würden, dann wäre die österreichische Fußballnationalmannschaft längst Weltmeister.

Die Arbeiten von Paul Gompers, Professor an der Harvard Business School, zeigen, dass bei Unternehmern der Erfolg erfolgreich macht und nicht das Scheitern. Eine Erfolgsstory erklärt sich aus früheren Erfolgen.

Auf der Erfolgsstraße

Auch eine gängige Karrieretheorie, das Turniermodell von James E. Rosenbaum, nimmt die Erfolge in Vorrunden als zentralen Erklärungsfaktor für den Aufstieg in Hierarchien - die Verlierer steigen ab und spielen dann in den unteren Ligen weiter. Dies erklärt die Pfadabhängigkeit von Karrieren. Einmal auf der Erfolgsstraße, immer auf der Erfolgsstraße. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Es sind viele Faktoren, die hier wirken: Die Recruiter, die lieber jemanden mit gutem Schul- oder Studienerfolg und einem makellosen Lebenslauf auswählen als einen Abbrecher mit mühsam geglättetem CV. Zentrale Persönlichkeitsmerkmale, die durch Erfolge gestärkt und durch Scheitern beschädigt werden. Beides, Person und Umwelt, tragen dazu bei, dass frühe Erfolge lange Schatten werfen: Menschen mit guten Schul- und Studienerfolgen sind vielleicht auch intelligenter, vor allem aber haben sie aufgrund ihrer frühen Erfolge eine höhere Selbstwirksamkeitsüberzeugung und damit ein entsprechendes Auftreten gegenüber Arbeitgebern oder Investoren.

Karriereknick

Aus Fehlern wirklich zu lernen ist anspruchsvoll. Das geht vielleicht bei den vielen kleinen Fehlern, die wir täglich machen, aber auch dort erfahren wir immer wieder das Gegenteil. Bei schwerwiegenden Fehlern und grundlegendem Scheitern hingegen darf man nicht davon ausgehen, dass es allein an den Betroffenen liegt, die richtigen Lehren zu ziehen. Der Münchner Ökonom Holger Patzelt fand bei seiner Analyse gescheiterter Unternehmer heraus, dass die überwältigenden negativen Emotionen ein direktes Lernen verunmöglichen. "So, und jetzt machen wir es anders" geht gar nicht. Bei gescheiterten Unternehmern, aber auch bei Angestellten im Karriereknick rüttelt das Scheitern so stark am Kern der professionellen Identität, dass ein Neustart intensive und professionell begleitete Trauerarbeit erfordert.

Befunde wie diese stimmen nachdenklich: Sie zeigen, dass eine Individualisierung der Verantwortung für die Aufarbeitung von groben Misserfolgen, wie sie in der Hochleistungsgesellschaft gängig ist, möglicherweise fatale Konsequenzen hat. Sie legen nahe, dass sich die Personalentwicklung im Arbeitgeberinteresse nicht bloß den aufstrebenden High Potentials, sondern auch den Gestrauchelten widmen sollte. Sie empfehlen die Etablierung professionellen Career Counselings, damit sich die Betroffenen nicht erst Jahre später in der Medizin oder Psychotherapie wiederfinden. (DER STANDARD, 17./18.52014)