Blick in den Gerichtssaal vor Verhandlungsbeginn: Auf der Anklagepunkt sitzen Sabine Koch, Christof M. und der dritte Beschuldigte (von links).

Foto: Christian Fischer

Wiener Neustadt - "Ich bin sehr erleichtert - aber ich bin auch zornig", sagt Sabine Koch. Keine fünf Minuten ist es her, dass die 35-jährige Tierrechtsaktivistin vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen wurde - so wie die beiden anderen Beschuldigten auch: Laut Richter Erich Csarmann erfüllte keiner der gegen die drei erhobenen Vorwürfe den diesbezüglichen Tatbestand.

Die Erleichterung Kochs versteht sich von selbst - ihr Zorn wiederum hat einen zeitbezogenen Grund. Morgen, Mittwoch, ist es genau sechs Jahre her, dass sie und acht weitere Aktivisten unter dem Verdacht in U-Haft gesetzt wurden, einer kriminellen Organisation von Tierschützern anzugehören.

Familie musste Tochter erhalten

Seither habe dieses Verfahren ihr Leben bestimmt, schildert Koch. Habe es beeinträchtigt, ergänzt ihr im Gerichtssaal anwesender Vater, Rudolf Koch: Während des großen Tierschützerprozesses der Jahre 2010 und 2011 gegen 13 Beschuldigte wegen Paragraf 278a StBG habe die Familie die Tochter großteils erhalten müssen. Bei drei Tagen Anwesenheitspflicht im Gerichtssaal pro Woche sei der frei tätigen Hundetrainerin nicht viel Zeit geblieben, um Arbeitsaufträge anzunehmen.

In Deutschland, so Rudolf Koch, übernehme der Staat im Fall rechtskräftiger Freisprüche sämtliche Verfahrenskosten - die dort jedoch niedriger als in Österreich sind. Seine Tochter hingegen drohe nunmehr, auf dem Großteil von bis zu 400.000 Euro Verteidigungshonoraren sitzenzubleiben: "Für die ganze Familie fürchterlich."

Der jetzige Prozess war nötig geworden, weil das Oberlandesgericht Wien den Freispruch im Erstprozess in einigen Punkten gekippt hatte. Was blieb, war eine Anklage wegen Nötigung, auf Grundlage einer Rechtsmeinung, die laut Verteidigerin Alexia Stuefer - die sich dabei unter anderem auf die Linzer Strafrechtsexpertin Petra Velten berief - "das Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken" drohe.

Auto umzingelt

Konkret wurde Koch, Christof M. (35) und dem dritten Beschuldigten vorgeworfen, am 20. Februar 2008 bei einer Antipelz-Demo vor der Perchtoldsdorfer Zentrale der Firma Kleider Bauer das Auto der damaligen Konzern-Pressesprecherin umzingelt zu haben. Damit hätten sie die Frau bedroht - und den Konzern auf diese Art zu Pelzverkaufsverzicht zu nötigen versucht.

Die Sprecherin sei in Angst und Schrecken versetzt worden - deren geschilderte Intensität jedoch von Aussage zu Aussage zunahm. Bei ihrer letzten Einvernahme beim großen Tierschützerprozess wollte sie gar "große vermummte Gestalten" gesehen haben, die "mit Steinen" auf den Wagen loszugehen gedroht hätten. "Niemand von uns war vermummt", widersprach Beschuldigte Koch. Die Frau blieb ihrer Zeugenladung unentschuldigt fern.

Andere Anklagepunkte wiederum erwiesen sich bei genauer Nachfrage als wenig substanziell: Am 27. Mai 2005 sollte Koch die Gesellschafter des deutschen Modeunternehmens Escada zu nötigen versucht haben: In einer Rede bei der Aktionärsversammlung habe sie als Kleinaktionärin einen Pelzvetriebsstopp gefordert - andernfalls werde Escada in die Antipelzkampagne mehrerer Tierschutzgruppen einbezogen.

Berufung bis Donnerstag möglich

"Die Transkription der Rede liegt vor, gefährliche Drohung ist darin keine enthalten", sagte Richter Csarmann: Aktionären einer Firma sei zuzumuten, "über das Leiden von Tieren bei der Pelzproduktion informiert zu werden". Nach dem Freispruch gab Staatsanwalt Günter Lattacher - bis vor kurzem in der Kanzlei der Medienanwältin Maria Windhager tätig - keine Erklärung ab. Für eine allfällige Berufung hat er bis Donnerstag Zeit. (Irene Brickner, DER STANDARD, 20.5.2014)