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Der unheimlichen Vision, dass man über Google Glass sofort alles über Menschen erfährt, denen man begegnet, schiebt der EuGH einen Riegel vor. Aber welche Links dann tatsächlich gelöscht werden, wird sich erst bei Gericht entscheiden.

Foto: apa/epa/Filip Singer

Wien - Dank der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (C-131/12) haben Betroffene nun das Recht, von Suchmaschinenbetreibern die Löschung von Links in Ergebnislisten zu fordern, die persönliche Informationen enthalten - dies auch dann, wenn sie inhaltlich grundsätzlich richtig sind bzw. rechtmäßig veröffentlicht wurden. Aber wann besteht der Anspruch auf Löschung, und wie setzt man ihn durch?

Entscheidend für einen Anspruch ist, dass die durch die Suche generierten Ergebnisse ein Bild zu einer Person entstehen lassen, das ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. In diesem Zusammenhang hat eine einzelfallbezogene Interessenabwägung stattzufinden, bei der das Recht auf Schutz der Privatsphäre dem Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüberzustellen ist. Politikern bzw. Personen des öffentlichen Lebens wird die Durchsetzung eines Löschungsanspruchs dadurch erschwert. Bei ihnen geht man davon aus, dass das Informationsinteresse der Allgemeinheit meist überwiegt.

Um eine Löschung durchzusetzen, kann sich der Betroffene nun direkt an die österreichische Niederlassung des jeweiligen Suchmaschinenbetreibers wenden. Hier trifft man aber bereits auf die erste Hürde: Google Österreich etwa verfügt noch über keine adäquate Kontaktstelle und hat aufgrund des genannten Urteils dringenden organisatorischen Handlungsbedarf. Bis ein entsprechender Kontakt eingerichtet ist, empfehlen wir, das Löschungsbegehren auch an die jeweilige Hauptniederlassung des Suchmaschinenbetreibers zu richten.

Wenngleich dies im EuGH-Urteil nicht explizit angeführt wurde, sollte das Löschungsbegehren unter Anführung des/der unerwünschten Links und unter Nachweis der Identität (z. B. Ausweiskopie) kurz begründet werden. Gründe dafür sind, wenn etwa seit der Veröffentlichung Jahre verstrichen sind, die Informationen nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck entsprechen, so etwa bei Zwangsversteigerung. Sollte der Suchmaschinenbetreiber dieser Aufforderung nicht nachkommen, so können Sie ihn auf Grundlage des Datenschutzgesetzes vor den heimischen Zivilgerichten auf Löschung klagen.

Kostenloses Beschwerderecht

Zusätzlich steht jedem Betroffenen ein allgemeines, kostenloses Beschwerderecht an die Datenschutzbehörde zu. Diese kann im Rahmen ihrer gesetzlichen Kontrollbefugnisse den behaupteten Verstoß prüfen und den Suchmaschinenbetreiber zur Löschung auffordern. Gegebenenfalls kann die Behörde Strafanzeige erstatten bzw. ebenfalls Klage vor dem zuständigen Gericht erheben. Vor allem im Hinblick auf das bevorstehende neue EU-Datenschutzrecht drohen Suchmaschinenbetreibern in diesem Zusammenhang empfindliche Schadenersatzzahlungen in Höhe von bis zu fünf Prozent des Weltumsatzes.

Für all diese Ansprüche gilt: Sie müssen vom Betroffenen innerhalb eines Jahres ab Kenntnis von der Abrufbarkeit des sensiblen Links geltend gemacht werden. Die Rechtzeitigkeit muss im Löschungsbegehren behauptet und im Streitfall nachgewiesen werden.

Wie die Suchmaschinenbetreiber mit dem Urteil des Gerichtshofs umgehen werden, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich wird vorerst vielen Löschungsbegehren nicht entsprochen und werden Musterprozesse vor heimischen Gerichten geführt werden. Erst dadurch wird man den genauen Umfang der Löschungsverpflichtung durch die Suchmaschinenbetreiber ermitteln können. Jedenfalls sollte man entsprechende Interneteinträge überprüfen und gegebenenfalls rechtzeitig reagieren.

Für Betroffene ist das Urteil ein wesentlicher Beitrag zum Schutz der Privatsphäre. Suchmaschinenbetreiber hingegen zwingt es, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu überdenken und technisch zu überarbeiten. (Lelio Colloredo-Mannsfeld, Johannes Juranek, DER STANDARD, 19.5.2014)