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Es war als Protestaktion gegen Diskriminierung gedacht. Mit den Schuljungs im Rock sahen Konservative freilich traditionelle Werte in Gefahr.


Foto: AFP/Evrard

Es war gut gemeint und begann gut gelaunt, endete aber mit einem Polizeieinsatz. Die Schulakademie in der westfranzösischen Stadt Nantes hatte Ende vergangener Woche die Aktion "Ce que soulève la jupe" (etwa: Welche Fragen der Rock aufwirft) lanciert.

Mittelschülerinnen und -schüler waren eingeladen, mit Röcken zum Unterricht zu erscheinen. Die Aktion sollte auf spielerische Weise das Bewusstsein für sexistische Stereotype und weibliche Diskriminierung schärfen. Auch die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen sollte thematisiert werden. Schließlich gebe es laut Schülervertretern auch Macho-Reflexe an Schulen.

An 27 Gymnasien erschienen zahlreiche Mädchen, aber auch Buben in meist bunten Röcken, die sie nach eigenen Angaben von ihren Schwestern oder Müttern ausgeliehen hatten. Einige trugen zusätzlich Aufkleber mit dem Namen der Aktion.

Der Schulbetrieb ging zuerst ruhig vonstatten. Dann trat eine Gruppe namens "Einwohner von Nantes für die Familie" vor den Schultoren in Aktion. Dieser Verein hat sich schon vor einem Jahr an landesweiten Massenprotesten gegen die Einführung der Homo-Ehe beteiligt. Diesmal äußerten die Konservativen den Verdacht, die "opération jupe" vermische bewusst Geschlechtsunterschiede und leiste damit Gender-Studies amerikanischer Feministinnen Vorschub.

Nach diesem Konzept geben bei der Geschlechtsbestimmung zuerst biologische, später auch gesellschaftliche Faktoren den Ausschlag, wobei Letztere bei der Geburt noch nicht bestimmt sind. Die Debatte um Gender-Studies, aber auch Homo-Ehe oder Leihmutterschaft nimmt in Frankreich langsam Formen eines Kulturkampfes an, wie er in Frankreich vor Jahrhunderten schon zwischen Dorflehrern und -pfarrern geherrscht hatte. Der Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest heizte die Debatte von neuem an.

Wurst als Auslöser

So mussten in Nantes nur einige Hundert Buben Bein zeigen, um in ganz Frankreich für rote Köpfe zu sorgen. "Die Jungen im Rock - sollen die Mädchen mit Bart erscheinen?", wetterte Frigide Barjot, die 2012 und 2013 Demonstrationen der Konservativen gegen die Homo-Ehe in Frankreich mitorganisiert hatte.

Den Rockträgern schlossen sich auf dem Schulweg Anarchisten an; sie skandierten Parolen wie "Keine Faschos in unserem Viertel". Damit meinten sie die Handvoll Traditionalisten und Kirchenvertreter, die vor den Mittelschulen für bestehende Familienverhältnisse eintraten. Eine Leiterin der französischen Elternvereinigung Peep erklärte, Ziel der Aktion sei eine "sinnvolle Provokation" gewesen. Schließlich musste sich die Polizei zwischen die Fronten stellen, um Zusammenstöße zu vermeiden. In den Schulen wurden indes Diskussionen zum Thema Sexismus organisiert. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 19.5.2014)