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LehrerInnen und SchülerInnen protestieren in Owerri, Nigeria, gegen das Versagen der Regierung.

Foto: APA/EPA/STR

Abuja/Brüssel - Die nigerianische Islamistengruppe Boko Haram hat am Montag ein neues Video der entführten Schülerinnen veröffentlicht und erklärt, einen Teil von ihnen zum Islam bekehrt zu haben. In dem Video, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag, erklärte der Boko-Haram-Führer Abubakar Shekau, die nicht-konvertierten Mädchen würden nur im Tausch gegen inhaftierte Gesinnungsgenossen freigelassen.

Die nigerianische Regierung lehnte dies postwendend ab. "Es ist nicht an Boko Haram, nun Bedingungen zu stellen", sagte Innenminister Abba Moro der Nachrichtenagentur AFP. Es würden keine Personen gegen andere ausgetauscht, bekräftigte er.

"Diese Mädchen, um die Ihr Euch so sorgt, haben wir befreit. Und wisst Ihr, wie wir sie befreit haben? Diese Mädchen sind Muslime geworden", sagte Shekau, der in Militäruniform mit einer automatischen Waffe auftrat, in dem Video. Der von ihm vorgeschlagene Austausch betreffe nur jene, die nicht zum Islam konvertiert seien. Die anderen seien nun ihre "Schwestern".

Mädchen sprechen unter Zwang

Shekau spricht in dem Video 17 Minuten lang auf Arabisch und später auf Haussa, anschließend ist die Gruppe von etwa 130 Mädchen zu sehen. Shekau selbst tritt zu keinem Moment mit den Mädchen zusammen auf. Die Mädchen tragen graue oder schwarze Schleier, die den ganzen Körper außer dem Gesicht bedecken. Sie lesen die erste Sure des Koran unter freiem Himmel umgeben von Bäumen.

Die Mädchen erscheinen niedergeschlagen. Anschließend werden drei der Schülerinnen befragt. Zwei sagen, sie seien vom Christentum zum Islam konvertiert, während die dritte angibt, bereits Muslimin gewesen zu sein. Eines der Mädchen versichert ganz offensichtlich unter Zwang, sie seien nicht misshandelt worden.

Kämpfer von Boko Haram hatten Mitte April eine Schule in der Stadt Chibok im nordöstlichen Staat Borno überfallen und 276 Schülerinnen verschleppt. In der Stadt lebt eine große christliche Minderheit. Einige der Mädchen konnten fliehen, doch werden noch immer 223 vermisst. Vor einer Woche entführte die Gruppe elf weitere Mädchen und veröffentlichte ein Video, in dem Shekau drohte, die Mädchen als Sklavinnen zu verkaufen oder zwangszuverheiraten. Das Video schreckte die Weltgemeinschaft auf und zwang auch die nigerianische Regierung zum Handeln. Ihr war von den Eltern zuvor vorgeworfen worden, nur zögerlich auf die Entführung zu reagieren.

Gipfel geplant

Die USA, Großbritannien und Frankreich schickten inzwischen Polizei- und Militärexperten nach Nigeria, um bei der Suche nach den Mädchen zu helfen. Israel und China boten ebenfalls Hilfe an. Frankreichs Präsident Francois Hollande schlug am Sonntag vor, kommenden Samstag in Paris mit Nigeria und den Nachbarstaaten einen Gipfel zur Bekämpfung von Boko Haram abzuhalten.

Nach einem Bericht der Zeitung "Punch" gab es am Wochenende ein Treffen der ausländischen Teams mit Experten des nigerianischen Verteidigungsministeriums. Demnach ist für die nächsten Tage ein gemeinsamer Militäreinsatz geplant. Unter anderem sollen Geheimdienstinformationen genutzt und Drohnen und Techniken zum Durchleuchten von Gebäuden eingesetzt werden. Die Entsendung von Truppen hatten Washington und London aber ausgeschlossen.

Die EU forderte am Montag die sofortige, unverzüglich und bedingungslos Freilassung der Schulmädchen. Die Entführungen seien ein Angriff auf Menschenrecht und Menschenwürde. "Die EU ist über die jüngsten terroristischen Angriffe im Norden Nigerias tief besorgt und entsetzt über das Leiden der dortigen Bevölkerung", heißt es in einer Erklärung des Rates vom Montag.

Straflosigkeit für sexuelle Gewalt beenden

Die EU sowie die einzelnen Staaten hätten Nigeria ihre Unterstützung bei der Lösung dieses abscheulichen Verbrechens angeboten. Außerdem würden alle Anstrengungen Nigerias, die Bürger zu schützen und Terrorismus zu bekämpfen, unterstützt. Die EU werde daran arbeiten, die "Kultur der Straflosigkeit für sexuelle Gewalt weltweit zu beenden". Dabei würden die Anstrengungen des UNO-Sicherheitsrates, geeignete Maßnahmen gegen die sektenähnliche Gruppe Boko Haram zu ergreifen, unterstützt.

Unterdessen gibt es nach Angaben des Gouverneurs von Borno, Kashim Shettima, erstmals Hinweise auf den Aufenthaltsort der Geiseln. Nach einem Bericht der Zeitung "Punch" seien die Informationen an das Militär weitergeleitet worden, das diese nun verifizieren soll. Lange wurde vermutet, dass die Kidnapper sich mit den Mädchen im dichten Sambisa-Wald verstecken, wo die Boko Haram Camps unterhält. Jedoch gab es auch Berichte, wonach einige der Jugendlichen nach Kamerun und in die Zentralafrikanische Republik gebracht wurden.

Die radikalislamische Gruppe Boko Haram ("Westliche Erziehung ist Sünde"), die auch als Taliban Nigerias bezeichnet wird, verübt seit 2009 immer wieder Anschläge auf Polizei, Armee und Behörden, aber auch auf Kirchen und Schulen. Allein in diesem Jahr wurden fast 2.000 Menschen bei Angriffen der Gruppe getötet. Boko Haram verfolgt das Ziel, aus dem halb christlich, halb muslimisch geprägten Nigeria einen islamischen Staat zu machen. (APA, 12.5.2014)