Der Bayerisch-Tiroler Grenzort Kiefersfelden fühlt sich von der Regierung in München so schlecht behandelt, dass er nach Tirol übertritt. Zumindest für den 1. April.

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Kiefersfelden - "Ab sofort gliedert sich das Gemeindegebiet Kiefersfelden aus Bayern aus und schlägt sich auf die Seite Tirols - mit allen Konsequenzen." So steht es auf der Homepage der Gemeinde im "letzten Zipfel" Bayerns, die im Osten und Süden an Österreich grenzt.

Für die "Welcome to Austria"-Begrüßungsparty heute ab 15 Uhr vor dem Kiefersfeldener Rathaus ist alles vorbereitet: Die Tiroler Fahne ist gehisst, die Autos erhalten Kennzeichen des Bezirks Kufstein, es gibt neue Ortsschilder, Blasmusik wird aufmarschieren und im Festzelt wird jedes Getränk nur 50 Cent kosten.

Es geht bergab

Seit das "größte Zollamt von Europa" vor sechs Jahren dicht gemacht wurde, gehe es mit Kiefersfelden bergab, beklagt Bürgermeister Erich Ellmerer (SPD). Beim Zoll und den Speditionen waren das 600 Arbeitsplätze, ein Zement- und ein Marmorwerk hätten überdies zugesperrt. Der in Österreich um 26 Cent billigere Sprit habe dazu geführt, dass von sieben nur noch zwei Tankstellen übrig sind. Bald sei per Antenne nur noch österreichisches Fernsehen zu empfangen und statt ins vier Kilometer nahe Kufstein müssten Krankentransporte ins 30 Kilometer entfernte Rosenheim geführt werden, weil ansonsten die Versicherung nicht bezahlt.

Aber es kommt noch dicker und grundsätzlicher: Ellmerer und seine 6700 Mitbürgerinnen und -bürger leiden unter der bayerischen Bürokratie. "Da geht nix weider", schimpft Ellmerer und lobt die Tiroler Verhältnissen über den grünen Klee: "Da wird nichts zerredet, da wird gehandelt", etwa wenn es um Genehmigungen für Betriebsansiedlungen geht - "in vier Monaten stampfen die eine Großtankstelle aus dem Boden, das dauert bei uns Jahre". Darüber, dass inzwischen viele Ortsbewohner in Tirol einen Job gefunden haben, ist Ellmerer froh, dass auch die Kaufkraft abfließe freut ihn weniger: "Dabei sind die Kufsteiner früher zu uns einkaufen gekommen."

Gesamter Gemeinderat hinter Aprilscherz

Hinter dem Aprilscherz steht der gesamte Gemeinderat (8 CSU, 7 SPD, 5 Unabhängige), die Kurverwaltung und sicher mehr als 70 Prozent der Bevölkerung, sagt Kuramtsleiter Werner Schroll. Ebenso wie Ellmerer ist er vom Aufsehen, das die Aktion beiderseits der Grenze ausgelöst hat, überrascht. "Jetzt melden sich schon andere bayerische Grenzgemeinden und sagen: Uns geht es genau so!", sagt Schroll, der sich nicht sicher ist, wie eine ernsthafte Volksabstimmung ausgehen würde.

Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa wird entgegen den Ankündigungen nicht zur Welcome-Party kommen. Nicht weil er diplomatische Verwicklungen fürchtet, sondern andere Termine hat. Am meisten freut ihn der gute Ruf der ihm unterstehenden Verwaltung: "Das ist eine Bestätigung des Tiroler Weges."

Unbürokratisch agieren offenbar auch Tiroler Firmen. Für das Getränkesponsoring am Freitag hätte ein Anruf genügt, schwärmt Schroll. Wie lange gefeiert wird? "So lang's Bier langt." Aus der Bayerischen Staatskanzlei war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten. (Hannes Schlosser, DER STANDARD - Printausgabe, 1. April 2005)