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Santo Cilauro, Tom Gleisner & Rob Sitch:
"Molwanien. Land des schadhaften Lächelns"
Deutsch von Gisbert Haefs, (€ 14,90/176 Seiten), Heyne, München 2005

Foto: Archiv

Die Nationalhymne von Molwanien beruht auf der mit der Rhetorik des Kalten Krieges bereicherten Melodie des Liedes "Oh What A Feeling" aus dem Hollywoodklassiker Flashdance. Kein Wunder bei einer Nation, deren wichtigste kulturelle Schätze aus räuberischen Überfällen auf Nachbarvölker stammen. Die dritte Strophe der Hymne allerdings gilt als nicht allgemein verbindlich, da sie gegen geltendes EU-Recht hinsichtlich rassistischer Hetze verstößt. Und auch das Schicksal des legendären "Vaters des modernen Molwanien", des großen Staatenlenker Szlonko Busjbusj, der das Land mit seiner Einheitspartei der Tyrannen aus dem tiefsten Mittelalter in den dunkelsten Despotismus führte, fügt sich nahtlos in erste, möglicherweise jetzt schon aufkeimende Vorurteile gegenüber Molwanien. Der Diktator, den das Volk liebevoll "Bu-Bu" nannte, starb 1962 eines natürlichen Todes. Er wurde ermordet.

Molwanien, dieses lange Zeit nur von Militärhistorikern und sowjetischen Drogenhändlern geschätzte Land zählt nicht nur wegen seiner blutrünstigen Geschichte zu den faszinierendsten und geheimnisvollsten Ländern an Europas Außengrenzen. Sobald die Hexenverbrennung unter Strafe gestellt wird, dürfte die EU auch endlich Beitrittsverhandlungen mit dem provisorischen NATO-Mitglied aufnehmen und das Land fix auf unsere Landkarte bringen.

Ein Aufschwung des Tourismus könnte nicht zuletzt dank dieses vorbildlich zusammengestellten Reiseführers jetzt schon zu verzeichnen sein. Immerhin wird hier Urlaub nicht nur hinsichtlich landschaftlicher Reize völlig neu definiert: "Was Besuchern der östlichen Landesteile zuallererst auffällt: Üppiges Grün, erdiges Braun, kraftvolles Gelb erstrahlen in blendender Pracht auf den Gebissen der Einheimischen." Dafür herrscht zwischen unfruchtbaren Bergregionen und verdorrten Ebenen Ödnis. Dank dem Nationalheiligen Sankt Fjodor, der es sich im Mittelalter zur Aufgabe machte, die Bäume zu vertreiben, sowie der Einführung der Motorsäge in den 50er-Jahren bietet Molwanien abgesehen von endlosen Feldern, auf denen Steckrüben angebaut werden, auf denen auch ein Großteil der wenig ambitionierten Küche basiert, nur wenig vordergründige Reize.

Kenner schwören allerdings auf die rauen, aber herzlichen Manieren der Einheimischen, die im Wesentlichen auf fehlendem Takt und erhöhter Gewaltbereitschaft fußen. Auch kulinarisch ist hier mit dem Schlimmsten wie etwa "originellem Schweinebraten" oder "lodernder Grillplatte" zu rechnen. Plus 20 Prozent Zuschlag, falls der Kellner Schnurrbart trägt. Erfahrene Besucher weisen übrigens darauf hin, dass die Sterne der Hotels möglicherweise nur ein Indiz dafür sind, wie viele Toiletten sich im Gebäude befinden. Wer den privaten Kontakt mit Molwaniern sucht, soll bitte auch die zwanglose Einstellung des Gastgebervolkes gegenüber dem Leben (anderer Leute) berücksichtigen, die in ein Sprichwort Eingang gefunden hat: "Zva grek inst ur plebum szunj (,Lieber ein Fremder unter der Schwelle als ein Freund über der Tür')." Würde es Molwanien nicht ab sofort geben, man müsste es erfinden! (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 26./27./28.03.2005)