Foto: Esprit
+++ Pro Von Michael Bachner

Man sagt: Sie musste zehn schreckliche Jahre durchmachen. Man sagt auch: Am Freitag blieb viel Arbeit liegen. Ich musste das Wochenende durchmachen.

AUFWACHEN! Hier ist vom Durchmachen die Rede: Körper auf Autopilot, Kopf in der Klangwolke, Leber egal. Ein Abend, die Nacht, der nächste Tag, womöglich mehr. Durchmachen muss gemacht werden. Es heißt nicht durchsprechen oder durchdenken. Durchmachen ist Praxis und nicht wieder so 'ne Theorie.

Schlaf ist nur ein Irrtum. Auch wenn das jedes Jahr schwieriger wird: Durchmachen ist der herrlich sinnlose Kampf gegen die monotone Abfolge von Tag und Nacht. Die Verheißung lautet: mehr wache Lebenszeit und der Mittelfinger für das Effizienzprogramm im Zehn-Stunden-Büroalltag. Dahinter steht die Einsicht, dass es vom carpe diem zum carpe noctem nur ein logischer Katzensprung ist. Alle Lautstärkeregler nach oben, alle Tasten gleichzeitig gedrückt. So schmeckt das dralle Leben. Wen kümmert da die Uhrzeit?

Zu Ende gedacht, kann das Durchmachen zweierlei. Im Heranwachsen hat es den großen Gestus des Aufbegehrens im Kleinen. Im Erwachsenenleben dreht die Stoßrichtung ins Antibetriebswirtschaftliche. Ging es einst gegen die Erziehungsnorm, dreht sich's heute um den Lustgewinn aus sinkenden Produktivitätskurven. Nur Streik ist wirkungsvoller als kollektives Durchmachen. Es kann so herrlich egal sein, was der Chef wieder will. Morgen ist auch nur ein Tag. Verlockung der Wiedergeburt.

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Contra- - -
Von Thomas Rottenberg

Neulich, auf Khophan Gan etwa. (B. verlangt, dass ich sie hier so einführe. Weil das wahnsinnig cool klingt. Und B. ist so was wie ein "globales Partygirl" - also die Definition von cool.). Neulich auf Khophan Gan, sagt B., hätte ein Newby, den sie vor der "Fullmoonparty" auf der Insel traf, ähnlich naiv gefragt: Warum die coolen - also die wirklich coolen - Leute just am Tag der Party um sechs am Abend schlafen gingen. Obwohl doch Party sei. Die Party. Bis in den Morgen. Bis in den Vormittag. Und noch länger.

Sie, sagt B., habe lachen müssen. Eben deshalb, habe sie dann geantwortet. Oder glaube der Frager etwa, dass gut Aussehen, gut Draufsein und gut Tanzen um sechs Uhr früh - egal ob mit oder ohne Drogen - nach dem 25. Geburtstag noch von selbst käme? Der alles entscheidende It-Girl/ Boy-Status sei doch Ergebnis harter Arbeit: Zur richtigen Zeit auf der richtigen Party gesehen zu werden bedürfe Vorbereitung, Koordination und Kondition.

Mit der Masse um Mitternacht in irgendeiner Großabfertigungstanzhalle - egal wo auf dem Planeten - gesehen zu werden sei sinnlos. Das mache eh keinen Spaß. Das koste nur jene Vitalsubstanz, die man vielleicht mit 17 - wo man halt nicht weiß, wo die Party steigt - hat, aber erst Mitte zwanzig - wenn man endlich dazugehört - wirklich brauche. Darum, erklärte B., gehe sie jetzt schlafen. Um ein Uhr werde ihr Wecker läuten. Um sechs werde sie am Strand tanzen. Strahlend schön. Und alle Welt werde wieder staunen: Weil eine durchfeierte Nacht den Coolen und Schönen nichts anhaben kann. (Der Standard/rondo/25/03/2005)