Milli Bitterli

Foto: STANDARD/Hendrich
Wien - Milli Bitterli ist keine Choreografin, die Hits am laufenden Band produziert. Bei Was bleibt von mir? Teil 3 im dietheater Künstlerhaus hat die Wienerin nun einen großen Coup gelandet. Gemeinsam mit dem Künstler Jack Hauser sowie den Tänzerinnen Krõõt Juurak und Sabile Rasiti gibt Bitterli in dieser schönen Hommage an den Reichtum und die Widersprüchlichkeit der menschlichen Gefühlswelt tatsächlich Antwort auf die im Titel formulierte Preisfrage.

Von "mir" (Bitterli meint sich selbst als Künstlerin), so sagt das Stück, bleibt nichts. Weil Bühnenkunst das Operieren mit Wiedergängern ist, macht sie alles wirklich und fragwürdig zugleich. Bitterli lässt sich auf der Live-Ebene dieser Arbeit durch Juurak und Rasiti "vertreten". Mit der ersteren von einer atemberaubenden Performerin und mit der zweiten von einer brillanten Tänzerin. Was also bleibt von ihr, wenn sie in zwei anderen Figuren aufgeht? Die Antwort: Das "Original" verschwindet in seiner Erweiterung und Neuerfindung.

Auf der virtuellen Ebene ist Bitterli durch gleichzeitig dialogisch projizierte Videos vertreten. Sie zeigen, wie sie einerseits als Jugendliche vor Verwandten und zum anderen als Erwachsene vor Freunden tanzt. Auf den Leinwänden flimmert Vergangenes, das als Erlebtes im Gedächtnis der Künstlerin verankert ist und ihr heutiges Handeln beeinflusst. Diese aufregende Sequenz stellt ein Meisterwerk innerhalb des Stücks dar.

Die Darstellerinnen liefern zwei exzellente Soli. Rasiti mit ihrem tänzerischen Können und Temperament, Juurak durch die rare Fähigkeit, das Publikum allein im stummen Stillstehen so in ihren Bann zu ziehen, als ob sie einen dramatischen Monolog von sich gäbe. Dramaturgie und Atmosphäre dieser Arbeit tragen unverkennbar die Handschrift von Jack Hauser, dem Performer, Filmer, Künstler und Mitglied von Lux Flux.

Einiges ist in Was bleibt von mir? Teil 3 dem Zufall überlassen. Nicht aber die Wechselwirkung zwischen Video und Performance, Akteuren und Publikum sowie Musik und Text und deren Wirkung auf unsere Gefühle. Das macht Milli Bitterlis Arbeit in der Tat zu einem Highlight der Gegenwartschoreografie. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.3.2005)