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UN-Generalsekretär Annan scheint mit den Konzepten seines Beraters Jeffrey Sachs (links) kein Problem zu haben.

Foto: AP/ANTHONY MITCHELL
Jeffrey Sachs wird mit seinem Kommentar " Afrika, der Klimawandel und die G-8 " vielen entwicklungspolitisch Interessierten aus dem Herzen gesprochen haben. Gerade deswegen sind einige kritische Anmerkungen angebracht.

Sachs bedient sich einer diskursiven Strategie, vorgefasste Meinungen durch individuelle Beobachtungen ("ich habe selbst mit den Betroffenen gesprochen") zu illustrieren und daraus den Anspruch auf allgemeine Gültigkeit abzuleiten.

Das ist vor allem deshalb problematisch, weil Sachs eine monokausale Erklärung für das komplexe Phänomen Unterentwicklung anbietet und dabei den historischen Kontext ebenso wie die aktuelle politische Umwelt der Krisen in Afrika ignoriert.

"Unhistorische Sicht"

Gewiss stellt die Verschlechterung der Umweltbedingungen für viele afrikanische Gesellschaften ein gravierendes Problem dar. Dennoch darf sie nicht dazu benutzt werden zu verschleiern, dass die Einbindung in die Weltwirtschaft, die Kolonisierung oder die enormen Rüstungsausgaben afrikanischer Regierungen deutlich zur Verschärfung der Lebensbedingungen beigetragen haben.

Dürre und Unterversorgung kennen wir aus den Chroniken afrikanischer Staaten und arabischen Reiseberichten weit zurück ins erste Jahrtausend nach Christus. Doch es waren die erzwungene Einführung von Monokulturen, die rücksichtslose Ausweitung des Anbaus von Exportprodukten (zum Beispiel Erdnüsse, Baumwolle) oder die in der Zeit der zwei Weltkriege von den Kolonialmächten betriebene Requirierung von Lebensmitteln, Soldaten und Zwangsarbeitern, die unter den gegebenen ungünstigen Bedingungen zu großen Hungerkatastrophen führten.

Sachs verschließt sich einer solchen historischen Annäherung. Sie passt nicht zu seiner seit Jahren in Publikationen und Vorträgen vertretenen These, dass die Beschaffenheit der physischen Geografie die entscheidende Ursache für wirtschaftliche Entwicklung oder Unterentwicklung sei, dass also "die Natur" über Armut oder Reichtum der Nationen entscheidet.

Sachs' These von der "tropischen Unterentwicklung" (Originalzitat!) behauptet schlichtweg, dass die heißen Regionen 'natürlich' (im doppelten Wortsinn) unterentwickelt sind: "Die den Tropen innewohnenden Eigenschaften sind einer lang anhaltenden wirtschaftlichen Entwicklung enorm abträglich".

Nicht die Verschleppung von drei bis fünf Millionen Sklaven, die Ausbeutung während des Kolonialismus oder die sich verschlechternden Austauschbeziehungen für agrarische Produkte mach- (t)en Afrika arm, und auch nicht die so genannte "bad governance", die von der Weltbank als Hauptursache für Unterentwicklung ausgemacht wird.

Schuld ist, so Sachs, die Geografie. Zwei Drittel des wirtschaftlichen Rückstands Afrikas, so will der Professor für Wirtschaftswissenschaften es mit Ökonometrie und Statistiken belegen können, ließen sich auf "nicht wirtschaftliche" Faktoren zurückführen.

Und hier tritt "das Klima" auf den Plan: Es verhindert, dass in den tropischen Regionen die landwirtschaftliche Produktivität steigt, es fördert die Ausbreitung von Seuchen, und es begünstigt die "Überbevölkerung" in bestimmten Regionen.

"Geodeterminismus"

Solche raumdeterministischen Positionen lassen Sachs zu einem prominenten Gegner von Weltbank und Währungsfonds werden. Scharf kritisiert er, dass diese Institutionen allen Ländern Handelsliberalisierungen verschreiben würden, ohne zu bedenken, dass diese nur unter bestimmten - nämlich naturräumlich gegebenen - Bedingungen erfolgreich sein könnten: "Ob Wachstum auf offene Märkte anspricht, hängt von der Geografie ab."

Die wissenschaftlichen Publikationen von Sachs lassen nur einen Schluss zu: Es geht ihm nicht primär um den von Menschen verursachten Klimawandel, sondern um das Klima, die Natur, die Geografie "an sich", die der Entwicklung Afrikas im Wege stünden. Sachs ist maßgeblich daran beteiligt, dass sich in den letzten Jahren erneut ein kruder Geodeterminismus in der Entwicklungsökonomie breit machen konnte.

In seinem Umfeld, das dank Institutionen wie dem Center für International Development an der Harvard University als einflussreich zu bezeichnen ist, hat sich eine rege Publikationstätigkeit entfaltet, die das Thema "Geografie und Entwicklung" facettenreich variiert, ohne aber von der Grundthese abzuweichen: "Ort und Klima haben große Auswirkungen auf die Einkommensverhältnisse."

Eine solche Argumentation aber schadet der Ursachenfindung, warum Afrika arm ist und ärmer wird, mehr, als die Initiative nützt, die reichen Länder aufzufordern, Energie sparende Transportmittel und regenerierbare Energieträger zu forcieren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.03.2005)