Fleckerlteppich, die offizielle Staatsflagge der AugartenStadt: Symbol für die Multikulturalität des Viertels

Aktionsradius Augarten
Bild: Aktionsradius Augarten
Seit Herbst letzten Jahres gibt es eine Stadt in der Stadt, eine "Stadterhebung von unten", wie die InitiatorInnen des Projekts betonen. Ausgehend vom Dreieck Augarten, Gaussplatz, Wallensteinplatz wird an einem virtuellen, prosperierenden und grenzüberschreitenden Raum gebaut, Bürgermeister Otto Lechner und zahlreiche AktivistInnen feiern Feste, gründen Magistratsabteilungen und kümmern sich um Träume, Affären und Zufälle.

derStandard.at: Sie positionieren die Gründung der AugartenStadt an der Schnittstelle von Gemeinwesenarbeit und Kunst, welche politischen Ansprüche verbinden sie mit dem Projekt?

Uschi Schreiber: Wir haben eine Prozess begonnen, dessen Ausgang noch nicht absehbar ist, den aber eine bemerkenswerte, auch unerwartete Dynamik kennzeichnet. Es ist (k)ein Spiel, es situiert zwischen BürgerInnenbeteiligung und Kunstaktion; die Magistratsabteilungen dienen der Realisierung von öffentlichen Aktionen.

Kurt Neuhold, Stadtrat zur Verzögerung der Zeit, bemüht sich um die Etablierung einer öffentlichen Siesta von 12-18h, natürlich an einem Arbeitstag. Die StadtbewohnerInnen werden eingeladen die Hängematten zwischen den Bäumen der Jägerstraße zu nutzen und das NIXTUN zu erproben.

derStandard.at: Richtet sich die AugartenStadt gegen bestehende Modelle des Regiertwerdens?

Uschi Schreiber: Es gibt keinen offenen Protest. Der konkrete Anlass für die Stadtgründung war der neue Wallensteinplatz. Eine Stadt braucht einen leeren Platz, auf dem etwas passieren kann. Hier scheint die Piazza vielfach ungewohnt, wir möchten relative Offenheit und Leere, die nach den jeweiligen Vorstellungen gefüllt werden kann.

Der Aktionsradius Augarten ist Initiator des Stadterhebung, umgehend waren zahlreiche KünstlerInnen beteiligt.

derStandard.at: Wie funktioniert diese Klammer zwischen KünstlerInnen und BürgerInnen?

Uschi Schreiber: Das erste Stadtparlament und das erste "Arbeitsfrühstück der Freunderlwirtschaft", wie wir die Meetings der StadträtInnen nennen, sind Laboratorien der originellsten Ideen, die Zusammenarbeit funktioniert gut. Neben der Funktionärsebene werden auch Geschäftsleute und Gewerbetreibende eingeladen, sich am Prozess zu beteiligen.

derStandard.at: Wie finanzieren sie ihre Vorhaben?

Uschi Schreiber: Bei einer ersten Aktion im Oktober konnte die AugartenStadt Unterstützung von der Kulturabteilung der Stadt Wien, den Wiener Einkaufsstraßen und dem 20. Bezirk lukrieren, auch Bezirksvorsteher Karl Lacina hat einen sehr netten Umgang mit dem Projekt gefunden und macht mit im Spiel der Stadtgründung. Schön wäre, wenn viele verschiedene Stellen der Stadt auch in Zukunft dieses in Wien einzigartige urbane Experiment untersützen würden, damit auch die nötigen Budgets vorhanden sind, um die geplanten Aktionen zur vollen Entfaltung bringen zu können.

Für die Städtepartnerschaft AugartenStadt - Magdeburg, die im Mai ihre erste Begegnung feiern wird, wurde auch ein Zuschuss durch das EU-Programm "Städtepartnerschaften" in Aussicht gestellt.

Otto Lechner setzte sich bereits in seiner Antrittsrede für die Entmilitarisierung der fiktiven Stadt ein. Er erinnerte an die Shoah, die beinahe ihr Ziel, das Ende der jüdischen Kultur in der Augartenstadt, erreicht hätte. Frühere Projekte des Aktionsradius Augarten, wie die Gedenkstätte Karajangasse, widmen sich dem Erinnern.

Im April und Mai sagt die AugartenStadt "T'schuldigung Magdeburg". Die Straßen- und Platznamen der Brigittenau, z.B. Pappenheimgasse und Wallensteinplatz, sind nach zerstörenden Kriegsherren benannt, die zur Zeit des 30jährigen Krieges in protestantischen Landen wüteten, u.a. auch in Magdeburg.

derStandard.at: Für April und Mai ist ein umfangreiches Kultur- und Festprogramm angekündigt, darunter die "Konferenz der Eingebildeten Republiken" am 12. April. Was erwartet die TeilnehmerInnen?

Uschi Schreiber: Die Magistratsabteilung für intergalaktische Angelegenheiten lädt die RepräsentantInnen von drei Gründungen "ziviler Gesellschaft" ein, ihre Zugänge zu präsentieren: die Windische Virtuelle Republik, die 10-Tages-Republik auf der Grazer Murinsel und BürgerInnen des fiktiven Staates Bunnyhill, eine von den Münchner Kammerspielen ausgehende Initiative.

Schon am 1. April gibt es ein nachmittägliches Stadterhebungsfest am Wallensteinplatz, wir feiern die Staatsräson der Buntheit - daher kann die offizielle Staatsflagge auch nur der Fleckerlteppich sein. Die Diskriminierung des migrantischen Segments der Bevölkerung ist ein wichtiges Thema im Stadterhebungsprozess. Der Fleckerlteppisch symbolisiert die historische Multikulturalität des Augartenviertels (fünfzig Prozent jüdischer Bevölkerungsanteil bis 1938) ebenso wie die aktuelle multiethnische Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Er stellt eine Hommage an diese Buntheit dar.

Wer in diesem Sinne ein Zeichen setzen will, kann beim Stadterhebungsfest am 1. April eine Staatsflagge erwerben. Es spielen zwei halbamtliche Musikgruppen, das erste AugartenStädter Rollstuhlrennen wird stattfinden, die Fotoausstellung "Die Gesichter der AugartenStadt - das Personal einer Traumstadt" von Mario Lang wird eröffnet und - um nicht alles vorweg zu nehmen - im Rahmen des Ersten AugartenStädter Uhudler-Bacchanals lädt Walter Eckhart, Stadtrat für interspezifische Affären, zur Verkostung des Stadtuhudlers, ein Plädoyer für Wilde Mischungen.