Gute Veduten sind also immer auch ein wenig erlogen. Das gilt selbstverständlich auch für jene Bernardo Bellottos, der sich, wie schon sein Onkel Antonio Canal, "Canaletto" nannte. Man braucht nur ein Beispiel aus Wien zu nehmen, und schon wird klar, wie fahrlässig da mit der Wahrheit umgegangen wurde - und wie leicht es dem Künstler fiel, ebenso massive wie geweihte Gebäude zu verrücken.
So weit scheint alles in Ordnung mit dem Blick vom Belvedere über Wien bis hin zum Wienerwald. Es ist ein stimmiges, ein detailreiches, ein versiert gemaltes Bild. Bloß die beiden Kuppelkirchen scheinen verdächtig nahe beieinander. Stimmt! In diesem Fall war Bellotto die Geschlossenheit der Komposition eben wichtiger als die Angabe des korrekten Gehwegs von einem Haus Gottes zum nächsten.
Den Kanzler Kaunitz oder den Fürsten Liechtenstein scheint das wenig gestört zu haben. Sie zählten ebenso zu Bellottos Wiener Auftraggebern wie Kaiserin Maria Theresia. Die nämlich beauftragte den 1759 aus Dresden nach Wien zugereisten Bernardo Bellotto zu einer Serie von Ansichten einiger Innenstadtplätze und einer Reihe größerer Veduten, die die Schlösser und Gartenanlagen in Wien und Umgebung zum Inhalt haben - allesamt recht dramatisch, allesamt geben ein Bild Wiens wieder, wie es wohl nur der Venezianer aus mehreren Pausen mit der Camera obscura zusammensetzen und derart kontrastreich und recht bunt ausmalen konnte.
Ähnlich verfuhr Bellotto, der unentwegt Reisende in Sachen Ansichten, mit dem Schloss von Nymphenburg und einem München-Panorama für das bayrische Kurfürstenpaar. Die letzten Jahre seines Lebens (es endete nach 58 Jahren 1780) verbrachte Bernardo Bellotto in Warschau.