Wien - "Ich wollte eigentlich gar keine Ausstellung machen", versichert Cornelia Meran, "Ich wollte ein Haus beziehen." Doch die Salzburger Jahrhundertwendevilla, die die Pädagogin und Ethnologin geerbt hatte, erwies sich als gelinde gesagt nicht bezugsfertig: Sie war bis unters Dach mit Dingen vollgestopft. Seit drei Generationen war offenbar nichts weggeworfen worden. "Interessant dabei waren nicht die so genannten guten Sachen, die jeder aufheben würde, sondern die gewöhnlichen Gebrauchsgegenstände." Cornelia Meran verständigte nicht die Müllabfuhr, sondern das Museum.

Museum statt Müllabfuhr

Herausgekommen ist dabei die Ausstellung "an/sammlung - an/denken" im Wiener Volkskundemuseum. Über einfache Holzstege schreitet man wie in einer archäologischen Fundstätte (Ausstellungsgestaltung: Kirpicsenko/Klose) über Artefakte aus der Alltagskultur des vergangenen Jahrhunderts:

Papiersackerln und Briefe, alte Hüte und verrostete Schrauben, niedergebrannte Kerzen und vergilbte Papierblumen, Seifen und Waschpulverpackungen, Haarlocken und Kosmetika, Streichholzschachteln und Pfeifenköpfe, Koffer und Care-Pakete, Näh- und Schreibzeug geben Zeugnis vom alltäglichen Leben der Bewohner. "Es handelt sich um einen geschlossenen Fund", erläuterte Projektleiter Matthias Beitl bei der heutigen Presseführung. Für das derzeit laufende Projekt "Alltagskultur seit 1945" war er daher besonders interessant.

Angehäufte Gegenstände aus einem Jahrhundert

"Es ist eine unglaubliche Fülle von Dingen, die Einblick in das Leben der Bewohner dieses Hauses über die Jahrzehnte hinweg geben", schilderte der Direktor des Volkskundemuseums, Franz Grieshofer, "doch was Sie hier zu sehen bekommen, ist nicht nur der kulturwissenschaftliche, sondern auch der künstlerische Blick auf diese Dinge." Ausgewählte KünstlerInnen waren eingeladen, sich mit dem Haus und seinen Beständen auseinander zusetzen. Die Ergebnisse sind nun Teil der Ausstellung. Kurt Kaindl hat etwa in Schwarz-Weiß-Fotos den Zustand des Hauses vor der Entnahme der Funde festgehalten. Christian Mercier de Beaurouvre lässt in einem Trickfilm die Objekte das Haus verlassen. Unter dem Titel "Haus der Frauen" haben Helmut und Johanna Kandl einen witzigen Film gedreht, in dem die gefundenen Kleider im Mittelpunkt stehen. Vibeke Jensen und Herman Seidl steuern Fotos, Ricarda Denzer Videos und Gerhard Treml eine Objektserie bei.

Rahmenprogramm mit Gesprächsrunden und Filmabend

Ein Rahmenprogramm mit Gesprächsrunden oder einem Filmabend mit den beiden Versionen von Agnès Vardas "Les Glaneurs et la glaneuse" ergänzen die Ausstellung, die ab 24. Juni auch im Salzburger Museum Carolino Augusteum zu sehen ist. Was mit den angehäuften Objekten nach der Ausstellung geschieht, ist noch nicht entschieden. Eine Auswahl der nicht gezeigten Bestände soll bei der Finissage an Interessierte weitergegeben werden. "Vielleicht begegnen wir ihnen ja in einigen Jahrzehnten wieder", schmunzelte Beitl. Cornelia Meran hofft dagegen eher nicht auf ein Wiedersehen. Den Versuch, das geerbte Haus zu räumen, hat sie mittlerweile zur Hälfte geschafft: "Ich kämpfe mich vor." (APA)