Wenn wahre Zeitungszaren zusammentreffen, um sich unter vier Augen über das, was diese Welt zusammenhält, auszutauschen, kann es schon vorkommen, dass ein Funke von Sympathie spontan selbst solche Grenzen überspringt, die man gemeinhin für unüberspringbar halten würde. Die Öffentlichkeit ist von solchen Sternstunden der Menschheit naturgemäß ausgeschlossen, Näheres wird oft erst viel später bekannt. Meist dann, wenn einer der beiden Tycoons sich aus biologischen Gründen nicht mehr gegen die Erinnerungen an den Funkenflug wehren kann, die der Überlebende einer staunenden Nachwelt auftischt beziehungsweise auftischen lässt, kaum ist der Gesprächspartner von einst unter der Erde. Dagegen sichern sich manche durch Memoiren ab - ein bedauerliches Zeichen von Misstrauen in die Nachwelt. Aber oft nur allzu berechtigt.

Kürzlich verstarb bekanntlich Henry A. Grunwald. Als Jude von den Nazis aus Wien vertrieben, stieg er in den USA zum Herausgeber von Time auf und wurde schließlich US-Botschafter in Wien. In der Farbbeilage der Kronen Zeitungvom Sonntag durfte ihm Hans Dichands Botschafter in den USA, Hans Janitschek, ein Gedenkartikelchen dedizieren. Titel: Er verteidigte Waldheim und kritisierte Scharon.

Dass "Time" - seine Zeitschrift - 1982 Israels damaligen Verteidigungsminister Ariel Scharon der Mitwisserschaft an Kriegsverbrechen im besetzten Libanon beschuldigte, mag sein. Diese Episode wird in dem Nachruf aber nur als kontrastierende Überleitung zu einem alten Anliegen des Krone-Herausgebers erwähnt: Und als er Ende der achtziger Jahre nach Wien als US-Botschafter zurückkehrte, nahm er Bundespräsident Kurt Waldheim vor den Anschuldigungen seiner Widersacher in Schutz. Im Klartext: Dichand und Grunwald wussten immer den einen Kriegsverbrecher fein von einem zu unterscheiden, der nur seine Pflicht getan hat.

Dennoch bleibt die Krone - leider - jeden Nachweis schuldig, dass Grunwald Waldheim verteidigt habe. Und auch in seinen 1997 erschienenen Memoiren "One Man's America" sucht man vergebens Passagen, in denen sich der Botschafter für den Präsidenten in die Schlacht wirft. Das ist aber heute ohnehin vergossene Milch, geht es doch um Wichtigeres als um Waldheim: Auch zur "Krone" hatte Grunwald zu dieser Zeit eine besondere Beziehung.´

Und was für eine! In seiner Selbstbiografie "One Man's America" schildert er sein erstes Zusammentreffen mit "Krone"-Herausgeber Hans Dichand. Genau genommen schildert er dort nicht sein erstes Zusammentreffen mit Dichand, sondern lediglich eines, von einem zweiten ist keine Rede mehr. Kaum ist Grunwald verschieden, soll der Eindruck entstehen, eine in vielen Treffen erprobte Wertschätzung Waldheims vor Ariel Scharon hätte da zwei Großschriftsteller zusammengeschweißt. Grunwald:

"Der wohl eindrucksvollste Befürworter Waldheims war der legendäre Chef der ,Neuen Kronen Zeitung', die von mindestens der halben Bevölkerung gelesen wird. Dichand stellte sich als großzügiger Mensch heraus - im Original affable, was wohl eher umgänglich heißt -, der sich trotz seines Reichtums allerdings sehr bescheiden anzieht - im Original eccentric in his dress, was wohl eher verschroben, ausgefallen heißt.

Aber Janitschek braucht den Gegensatz großzügiger Mensch, der sich bescheiden anzieht, schließlich geht es darum, den durchschnittlichen "Krone"-Leser von der edlen Einfalt und stillen Größe des alten Hundestreichlers zu überzeugen: "Seinen Überrock hätte die Heilsarmee nur zögernd angenommen . . ."

Als dienstbeflissener Memoirenleser arbeitet Janitschek selektiv, denn die wahre Besonderheit von Grunwalds Beziehung zur "Krone" verschweigt er. It was a tabloid full of crime, sex and superficial news (my all-time favorite headline: "19 Little Circus Dogs Save Their Mistress from Being Raped!"). Und das ist sie noch heute - glücklich die Nation, die sich der Besonderheit ihrer Beziehung zur "Krone" seither ungebrochen erfreuen darf, auch wenn die Headlines etwas lahmer geworden sind.

Doch zurück zum gemeinsamen Lob Waldheims. Dichand fand damals dessen Selbstverteidigung im Detail unangemessen - man könne vom Holocaust nicht sagen, es tue einem Leid. Nevertheless he defended Waldheim ("We really didn't know any- thing about these things") and added that Waldheim may simply have had a hard time remembering after all these years. "I was in the navy on many ships, and I can't remember their names today."

Mit dieser bodenständigen Art von Erinnerungsschwäche konnte Grunwald nicht allzu viel anfangen - das kommt davon, wenn man der alten Heimat den Rücken kehrt. It was, I thought, erinnert er sich an die Besonderheit seiner Beziehung zur "Kronen Zeitung", a preposterous comparison - ein absurder, ein grotesker Vergleich.

Auch diese Besonderheit ließ Janitschek unerwähnt. Schade, er hätte sicher viel empfindsamer übersetzt. (DER STANDARD; Printausgabe, 12./13.3.005)