Low
The Great Destroyer
(Rough Trade/Edel)

Foto: Rough Trade

"Low"

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Geschwindigkeit vermag zwar auch einen Rausch zu erzeugen, die Auswirkungen und der hypnotische Einsatz von Langsamkeit - gepaart mit einer an Monotonie grenzenden Hartnäckigkeit - zeitigt oft die nachdrücklicheren Ergebnisse. Man denke an große Verweigerer der Schnelligkeit wie die Country-Zerdehner von Souled America, an die sturen Einser-Beats zu Dröhngitarren von Spacemen 3 oder an die großen Abbremser im 80er-Jahre-Hardcore. Allen voran Slint, dann Codeine.

In Tradition dieser Formationen und aus gesunder Skepsis gegen die herrschende Grunge-Omnipräsenz entstand 1994 in Duluth, im US-Bundesstaat Minnesota, das Trio Low. Bereits der Name stapelte tief und entsagte sich gängigen und eine Karriere verheißenden Formeln. Ein gutes Jahrzehnt arbeitete Low an der Verdichtung einer bald Slow-Core genannten Musik. Man erschuf einen Mikrokosmos aus Independent-Ethos, leicht misanthropisch anmutenden Weltbetrachtungen und ließ das von einem diesbezüglich nicht zu überbietenden Steve Albini an den Reglern atmosphärisch umsetzen.

Die Doppelalben Secret Name (1999) und Things We Lost In The Fire (2001) sind hier zu nennen. Depro-Folk nannten das die einen - und hatten Recht. Selten gehörte Schönheiten diagnostizierten andere - und behielten ebenfalls Recht. Im Vorjahr erschien die auf die erste Dekade der Bandgeschichte Rückschau haltende Box A Lifetime Of Temporary Relief, die schon wegen der wunderbaren Smiths-Coverversion Last Night I Dreamt That Somebody Would Love Me eine Anschaffung rechtfertigt. Außerdem unterzeichnete die Band 2004 ausgerechnet beim Label Sub Pop, das der Welt die Grunge-Superstars Nirvana und viele mehr geschenkt hatte.

Damit nicht genug, hieß es bald, das neue Low-Album würde heftig rocken. In der Tat kracht dieses Werk im Vergleich zu früheren ganz ordentlich. Der viele Low-Stücke charakterisierende, seltsam tonlose Gesang des Ehepaares Alan Sparhawk und Mimi Spark dominiert zwar nach wie vor. Doch versucht man sich auch höchst gelungen daran, hübsche Melodien zu singen, die den Songs eine bislang nicht gehörte Lebensfreude verleihen.

Der Song Step fungiert hier als Paradebeispiel. Darin ist nicht nur eine nach vorne arbeitende Gitarre, die sogar zu einem Solo(!) anhebt, zu hören. Die Stimmen von Sparks und Sparhawk geben sich ungehört versöhnlich. Angesichts der Vielfalt, der sich Low mit dieser Neuorientierung und Verbreiterung ihrer Ausdrucksform verschreiben, fragt man sich insgeheim, warum dies nicht schon früher passiert ist. Klar, es gibt auch hier die langsamen, bohrenden Stücke. Wenn Low aber richtig Dampf ablassen, wie im Opener Monkey, im großartigen Everybody's Song oder dem umwerfenden Just Stand Back, dann entschuldigt das jede Wartezeit.

Geduld hat einem Low sowieso beigebracht. Und die hat sich gelohnt: The Great Destroyer zählt zu den ersten Lichtblicken des noch jungen Jahres. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.3.2005)