Eine Dame steht vor der Chicago Hall in Poughkeepsie, New York, errichtet nach Formsteinennach Erwin Hauers "Design 5" aus dem Jagr 1956.

Foto: Erwin Hauer

Irgendwo bei Karl Marx steht der Satz, dass die Geschichte, wenn sie sich wiederholt, unweigerlich zur Farce wird. Schaut man sich die Retro-Moden an, die in immer kürzeren Abständen gefeiert werden, dann ist ein gewisser Zug ins Lächerliche stets deutlich erkennbar. Wenn heute wieder junge Architekten und Designer in Mustern schwelgen und ihre noch von den eigenen Kinderzimmertapeten geprägten Schwächen für grafische Ornamente aller Art ausleben, dann muss dringend daran erinnert werden, was das für Bilder sind, die nach Jahren der minimalistischen Enthaltsamkeit wieder hervorgeholt werden.

Die wilden Muster in der Massenkultur der sechziger und siebziger Jahre waren bereits die für den populären Geschmack entschärften Formen, an denen Künstler und Architekten bald nach Kriegsende zu experimentieren begannen. Zu den Pionieren auf diesem Gebiet zählt der gebürtige Österreicher Erwin Hauer. Bereits als Student an der Wiener Angewandten arbeitete er an geformten Steinen, aus denen sich ganze Wände zusammensetzen lassen, die wie mit einer riesigen Nadel gestrickt erscheinen, tatsächlich aber aus einem speziellen Beton bestanden. Bei einer Kirche in Liesing setzte er das Material zum ersten Mal ein.

Es folgten ein weiterer Sakralbau in Wien-Erdberg, wieder in Zusammenarbeit mit dem Architekten Robert Kramreiter, dann erste Publikationen, und unmittelbar darauf erhielt Hauer ein Fulbright-Stipendium für die USA. Er blieb für immer dort. 1963 wurde er Professor an der Eliteuniversität Yale, wo er bis 1990 unterrichtete. Das verstärkte Interesse an skulpturalen Ornamenten ermöglichte ihm, im vergangenen Jahr ein wunderbar konzentriertes Buch über seine Arbeit herauszugeben, das den Schwerpunkt auf die frühen, architektonischen Wandgestaltungen legt und die freien, ab 1960 entstandenen Arbeiten sehr bescheiden auf briefmarkengroße Abbildungen im Anhang reduziert.

Hauers Ankunft in den USA fiel mit einer allmählichen Emanzipation der Architekten vom Dogma der von allem Zierrat gereinigten Moderne zusammen. Die weiße Kiste des modernen Hauses, von der die Avantgarde in Europa träumte, war dort ohnehin nie richtig angekommen. Während die Architekten in Europa die zerrissenen Fäden zur Vorkriegsmoderne zu knüpfen versuchten, waren die Kollegen in den USA schon zum nächsten Schritt bereit. Das Ornament feierte seine Wiederauferstehung als abstraktes Muster. Hauers Wände drängten sich förmlich auf. Sie sind deswegen so faszinierend anzuschauen, weil man einfach nicht verstehen kann, wie so komplexe Verschlingungen und Verdrehungen unter den maschinellen Produktionsbedingungen der Gegenwart herzustellen sind. Sie sind seriell, aber gleichzeitig zutiefst geheimnisvoll.

Hauer war nicht der Einzige, der zu dieser Zeit mit Formsteinen spielte. Bis in die ansonsten streng durchrationalisierte DDR-Architektur zieht sich die Spur der Steine, die dort als vergleichsweise plumper Zuckerguss den ansonsten meist endlos öden Plattenfassaden zur Seite gestellt wurden. Zeit also, wieder die Besten unten den Originalen zu entdecken.
(oel/Der Standard/rondo/11/03/2005)