Wien - Bilder, die wiederkehren: Bomben, Bomben und wieder Bomben, die von Flugzeugen abgeworfen werden. Zuerst über Japan im Zweiten Weltkrieg, wo ganze Städte, noch vor dem Abwurf der Atombomben, dem Erdboden gleichgemacht und hunderttausend Zivilisten in nur einer Nacht getötet wurden. Später über Vietnam, wieder flächendeckend, abwechselnd mit der Chemikalie Agent Orange, die ganze Wälder entlaubte.
"I think the human race needs to think more about killing", lautet ein Fazit Robert S. McNamaras. Der Mann muss es wissen, nahm er doch bei beiden Ereignissen wichtige Positionen ein: Noch als Soldat waren es in Japan seine Berechnungen, die die Effizienz des Bombardements entscheidend erhöhten; die Eskalationspolitik in Vietnam brachte ihm schließlich den Titel "Architekt des Krieges" ein. Als Verteidigungsminister zweier US-Präsidenten, von John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson, wurde er zur Inkarnation des eiskalt kalkulierenden Technokraten.
Der US-Dokumentarist Errol Morris hat mit McNamara also eine zentrale Figur der US-Politik vor die Kamera geholt. Extensive Interviews bilden die Basis seines Oscar-prämierten Films The Fog of War - Eleven Lessons from the Life of Robert S. McNamara, in dem der damals 85-Jährige nicht einfach sein Leben Revue passieren lässt, sondern zu signifikanten Entscheidungen Stellung bezieht, sie reflektiert, ohne sich freilich je ganz aus dem Nimbus der Macht herauszubewegen.
Dieser Eindruck scheint beabsichtigt, denn McNamara ist bei Morris nicht einfach ein "talking head", gemäß einer dokumentarischen Konvention, die vor allem auf die Faktizität des Interviewten setzt. Der Protagonist spricht hier direkter in die Kamera, was ihm ein größeres performatives Feld eröffnet. Der Interviewer Morris ist dagegen weiter entfernt, im Off, seine Fragen gleichen Zurufen, die die Ebene der (Selbst-)Darstellung nur mit Mühe erreichen.
Außer Kontrolle
Wie schon in Mr. Death, seinem Film über den Designer des elektrischen Stuhls, Fred A. Leuchter, interessiert sich Morris für die Rolle des Einzelnen innerhalb von Prozessen, die von ungeahnten Ausmaßen sind. Kontrolle scheint auch im Zentrum der Macht kaum möglich, rationales Handeln an interpretativen Dilemmata zu scheitern. "Versetze dich in deinen Feind", lautet zwar eine der Maximen McNamaras, die den Film strukturieren. Was bei Chrustschow während der Kuba-Krise leidlich funktionierte. Im Vietnamkrieg war die Empathie weit weniger ausgeprägt.
Morris - alles andere als ein dokumentarischer Purist -, bettet McNamaras Aussagen mit illustrativem Archivmaterial ein, legt suggestive Musikkaskaden von Philip Glass darüber. Er spielt aber auch Tonbandaufnahmen ab, in denen Lyndon B. Johnson und sein Verteidigungsminister auf eine Weise die Lage in Vietnam besprechen, die eher an Ratlosigkeit denken lässt. Das Beharren auf die Doktrin des Kalten Kriegs ging hier längst an den Erfordernissen einer veränderten Realität vorbei.