Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war gestern. Aber weil sich jeder Mal irren kann, habe ich der Sache keine Bedeutung beigemessen. Und wollte das Kuvert ungeöffnet wieder in meinen Briefkasten legen: In der Regel genügt das ­ der Briefträger erkennt seinen Irrtum, und liefert den Brief bei dem Mann mit dem meinem nicht unähnlichen Namen ein paar Gassen weiter ab. Und ich hoffe, dass es mein Fast-Namensvetter ebenso macht.

Gestern aber war andere Post im Kastl: Ein paar Rechnungen, die eigentlich ein Haustor weiter die Straße unten deponiert werden hätte sollen lag zwischen Werbe- und Postwurfsendungen. Aber am Boden – vor den Briefkästen – hatte ein kluger Mitbewohner schon jenen Rechnungspack hochkant abgestellt, der versehentlich bei ihm gelandet war. Und noch während ich meine von der fremden Post trennte, kam P., mein Nachbar, die Stiegen herunter. Auch er stellte ein Bündel Irrläufer – die Telekabel-Monatsrechnung - ab: Das Postvermischen, meinte P., sei zwar blöd, könne aber schon einmal passieren.

Kleinigkeit

Später, am Abend, hatte das Beispiel Schule gemacht: In Reih und Glied standen die Rechnungskuverts – und ein paar andere Postsendungen – unter den Briefkästen am Boden. Und irgendwie, meinte P., sei es ein gutes Gefühl zu wissen, dass im eigenen Haus Kleinigkeiten ohne großes Trara repariert und korrigiert werden würden. Gestern.

Heute früh waren die Rechnungen weg. Weil unsere Briefkästen immer noch leer waren, dachte ich, dass ein besonders netter Mitbewohner die Briefe vielleicht einfach ein Haus weiter getragen haben könnte – und irgendwie fand ich es blöd, das nicht selbst getan zu haben: Die paar Meter hätten nicht weh getan.

Papierschnitzel

Doch da hörte ich P. von neben dem Altpapiercontainer fluchen. P. hielt eine Handvoll Papierschnitzel in der Hand: Irgendein Idiot, pfauchte P., hat die Rechnungen entsorgt. Und vorher zerrissen. Vermutlich aus Gründen des Datenschutzes.

P. war sauer. Echt sauer: Sein ganzes Leben lang habe er immer Mahnungen erhalten. Für Rechnungen von denen er schwören könne, sie nie bekommen zu haben. Aber er kenne sich, meinte P. – und er hasse sich jetzt schon dafür, für seine eigene Schlamperei in Zukunft blind und ohne zu zögern, unseren Briefträger verantwortlich zu machen.