Vorbild Stalin und Peter der Große: Parteichef Bogomolow.

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Wien – Im Russischen Kulturinstitut in Wien beantwortete er Fragen des fast ausschließlich russischen Publikums mit langen russischen Monologen. Aber die Vermutung, man habe es mit einem Apparatschik altbekannter Art zu tun, erweist sich als voreilig. Waleri Bogomolow (53), Generalsekretär der Kreml-Partei "Einiges Russland", bringt die Dinge auch in einem kurzen Gespräch schnell auf den Punkt. Ziel seiner Partei sei die "Wiedergeburt Russlands als demokratischer Rechtsstaat", sagt er in gutem Deutsch – und nimmt im nächsten Satz gleich die erwartete Kritik an der "gelenkten Demokratie" in Russland vorweg: "Es geht nicht darum, von wem, sondern wodurch die Demokratie gelenkt werden muss: durch das Gesetz."

Bogomolow sprach in Wien mit Spitzenvertretern von ÖVP und SPÖ, um sich über Organisation und Strukturen einer modernen Volkspartei zu informieren, zu der "Einiges Russland" einmal werden soll. Der ehemalige Geschichtslehrer Bogomolow und Präsident Wladimir Putin kennen einander von ihrer gemeinsamen Zeit in der damaligen DDR. Putin war KGB-Offizier, Bogomolow Dritter, dann Zweiter Sekretär der sowjetischen Botschaft in Ost-Berlin. Später arbeitete Bogomolow als Journalist.

Rechtzeitig vor den Parlamentswahlen 2003 wurde vom Kreml die Partei "Einiges Russland" aus dem Boden gestampft, mit Bogomolow, dessen Fähigkeiten Putin schätzen gelernt hatte, als Strategen. Die Partei errang die Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma, dem Unterhaus.

Dass sie diese Mehrheit für eine Verfassungsänderung nutzen könnte, die Putin eine dritte Amtszeit ermöglicht, schließt Bogomolow aus. Der Präsident habe mehrmals betont, dass er so etwas nicht plane. "Es gibt eine Verfassung, und sie bleibt so, wie sie ist." Die Frage, ob es sonst irgendwelche Unterschiede zwischen seiner Partei und dem Programm Putins gebe, beantwortet Bogomolow ganz knapp: "Keine."

In der Kritik an den Plänen Putins zur Stärkung der Zentralmacht werde meist eines übersehen: Der Kremlchef habe auch betont, dass Russland ein entwickeltes Parteiensystem brauche, "mit mindestens vier im ganzen Land verankerten Parteien, nicht so wie Jabloko (liberale Gruppe, Red.), die nur in drei Städten präsent ist".

Offenbar auch in Anspielung auf die jüngste Demokratiedebatte zwischen US-Präsident George W. Bush und Putin beim Gipfel in Bratislava sagt Bogomolow: "Wir sind ein Teil Europas, aber wir werden nie eine Demokratie nach westeuropäischem oder amerikanischem Muster werden. Die russische Demokratie muss der russischen Tradition angepasst sein." Eines müsse dem Westen klar sein: "Wir sind ein Bollwerk." Wogegen? "Gegen den Extremismus." Wenn Russland destabilisiert werde, sei Europa als Erstes davon betroffen: "Wenn Russland zerfällt, wird Europa weggeblasen."

Warum soll ein Zentralisierungsprogramm ausgerechnet jetzt funktionieren, wo doch die Geschichte Russlands zeigt, dass dies niemals funktioniert hat? Diesen Einwand lässt der Historiker Bogomolow nicht gelten: "Wieso nicht? Unter Stalin und Peter dem Großen hat das sehr wohl funktioniert." Auf den Einwand, funktioniert habe es doch wohl nicht für die Regierten, folgt immerhin der Nachsatz: "Aus der Sicht der Macht." (DER STANDARD, Printausgabe, 3.3.2005)