Buenos Aires/Wien - Diesen Donnerstag beginnt in Argentinien eine Serie von Workshops, mit denen sich Österreich in den Dialog der Europäischen Union mit Lateinamerika einschaltet. Denn im Frühjahr 2006 wird im Rahmen der österreichischen EU-Präsidentschaft in Wien ein großer EU-Lateinamerikagipfel mit Regierungsdelegationen aus 60 Ländern abgehalten. Die Vorbereitungsseminare organisiert das Österreichische Lateinamerika-Institut (LAI) mit der Austrian Development Agency (ADA), dem Koordinator der heimischen Entwicklungszusammenarbeit.

Derzeit laufen zwischen der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft "Mercosur" (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) und der Europäischen Union Verhandlungen, die noch heuer zu einem Freihandelsabkommen führen sollen. Es entstünde die weltgrößte Freihandelszone mit 650 Millionen Menschen. Viele sehen die EU in Konkurrenz zu den USA, die eine alle Staaten des amerikanischen Kontinents umfassende Freihandelszone schaffen wollen. Von einem Wettlauf um Rohstoffe und Märkte spricht auch Wolfgang Dietrich, der wissenschaftliche Leiter der Workshop-Reihe.

Das von der EU vorgebrachte Argument, ihr sei die soziale Entwicklung in den Partnerländern wichtiger als den USA, sei "ehrlich gemeint", sagt Dietrich. "In Europa ist das soziale Gewissen größer als in den USA, es besteht mehr Interesse an der Umwelt und an der Entwicklung der Zivilgesellschaft." Dietrich, 48-jähriger Politikwissenschafter an der Uni Innsbruck, verweist auf die "Demokratieklausel", die von der EU in Vereinbarungen mit lateinamerikanischen Ländern verlangt wird. Doch während es den Unternehmern Südamerikas mit der Schaffung einer Freihandelszone nicht schnell genug geht, fürchten Aktivisten engagierter Bürgergruppen, dass die EU lediglich den europäischen Konzernen freie Bahn verschaffen wolle. Vor dem Lateinamerikagipfel 2006 planen Aktivisten in Wien deshalb eine Veranstaltung, die die Rolle der Multis durchleuchten soll.

Hier einen Dialog zwischen den Lagern zu beginnen und die demokratische Dimension zu erörtern, ist Ziel des Workshops in Buenos Aires. Wirtschaftliche Integration mindere, wie Dietrich betont, die Gefahr, dass in schwach entwickelten Demokratien Lateinamerikas "einfach die Offiziere gerufen werden", wenn eine ökonomische Krise ausbricht.

Im Juni soll es bei einem Seminar in der Slowakei um die Rolle der neuen Mitgliedsländer in die EU-Entwicklungspolitik gehen, im September in Nicaragua um die Armutsbekämpfung. Noch vor dem Gipfel wird im April 2006 eine Konferenz in Wien die Ergebnisse zusammenfassen. (DER STANDARD, Erhard Stackl, Printausgabe, 2.3.2005)