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Foto: Archiv
In Österreich hat man ein äußerst inniges Verhältnis zur Speisekarte. Das ist auf der einen Seite verständlich, schließlich erkennt man mit einem Blick, wie es um Angebot und Preisniveau bestellt ist (besonders, wenn man den „Schnitzel-Index“ heranzieht: Am Schnitzel-Preis wird zumindest in Ostösterreich die Preisklasse eines Restaurants bemessen, egal, wie viel getrüffelte Anglerfilets oder Kaviar-befüllte Kobe-Beef-Röllchen sonst noch auf der Karte stehen mögen).

Auf der anderen Seite ist das aber auch traurig, da die gedruckte Speisekarte zwar zu Berechenbarkeit, allerdings eben auch zu Inflexibilität führt, sowohl beim Gastronomen als auch bei den Gästen: Die „klassische“ Speisekarte eines österreichischen Gastronomie-Betriebs in einer kulinarisch weniger dynamisierten Region könnte nämlich als Drucksorte aufgelegt werden, da sich die Unterschiede nicht mehr im wahrnehmbaren Bereich abspielen, das Angebot quasi uniform ist.

Um diese Ostblock-Mentalität ein wenig aufzubrechen, ging man in innovativen und qualitätsorientierten Betrieben schon vor längerer Zeit dazu über, die gute Tradition der persönlichen Empfehlung und des mündlich vorgetragenen „Tagesangebots“ wiederzubeleben. Was einen Stapel von Vorteilen mit sich bringt: Erstens, dass die Gastronomen so etwas überhaupt einmal anbieten und damit auf die saisonale Angebotssituation eingehen können und sich vom Einerlei unterscheiden können; zweitens, dass man als Gast neugierig gemacht wird, dass eine Kommunikation jenseits der Bestell-Order stattfindet, dass sozusagen ein Beratungsgespräch geführt wird; und drittens, dass es durch diese simple Marketing-Maßnahme auch Gästen leichter gemacht wird, sich aus ihrem erstarrten Bestell-Verhalten ein wenig zu lösen und experimentierfreudiger zu werden.

Ein Archetyp der mündlich vorgetragenen Speisekarte ist da zum Beispiel der unvergleichliche Josef Sodoma aus Tulln, der die Spezialitäten aus der Küche seiner Frau immer so schnell und so undeutlich vortrug, dass man mit großer Mühe und nur anhand der Satz-Melodie gerade verstehen konnte, wie viele einzelne Posten da überhaupt extra angeboten werden, worum sich’s dabei handelte, blieb jedoch ein Rätsel. Man bestellte somit also immer „das zweite“ oder „das erste“ oder „das mit dem Kohlrabi“ (sofern man „Kohlrabi“ als einziges Wort in der Suada verstanden hatte), und ließ sich überraschen. Wunderbar war das (wunderbar isst man beim Sodoma übrigens nach wie vor, nur spricht Josef Sodoma mittlerweile sehr, sehr viel langsamer und deutlicher ...)!

Ein bisschen schwieriger ist das mit diesem sympathischen Brauch jedoch, wenn es sich um eine Ethno-Küche handelt, und dann Gerichte in der dazu passenden Landessprache vorgetragen werden. Wobei es jetzt eigentlich ebenso schwierig ist, wenn entweder ein Native Speaker die exotischen Spezialitäten vorträgt, oder wenn einem eine ortsansässige Servierkraft die Namen von nie zuvor gehörter Pasta offeriert, und zwar so ausgesprochen, dass sogar etwaige Auskenner ratlos bleiben müssen.

Insofern scheint die Kombination aus der mündlich vorgetragenen Speisekarten-Ergänzung (oder des gesamten Angebots, was natürlich nur dann geht, wenn es einen gewissen Rahmen nicht überschreitet, aber dazu ein anderes Mal) und zumindest einer Tafel, auf der man noch einmal ein bisschen nachlesen kann, und nicht zuletzt auch sieht, was die guten Sachen überhaupt kosten, optimal.