Ein Schnitt durch das Hirn. Laut Studien führt zu hoher Blutdruck zu vorzeitiger Hirnalterung: mehr Druck - weniger Volumen.

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Washington - Mit zunehmendem Alter wird nicht nur die Haut faltig, werden die Knochen weniger belastbar und die Haare grau, sondern es schrumpft auch das Gehirn. Zumindest Teile davon verlieren an Volumen. Bereits ab dem mittleren Erwachsenenalter setzt dieser natürliche Vorgang besonders in den gedächtnisrelevanten Hirnregionen ein und macht sich durch zunehmende Erinnerungslücken im Alltag, der so genannten Altersvergesslichkeit, bemerkbar. Das zeigt die Publikation einer Langzeitstudie von Ulman Lindenberger am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und Naftali Raz von der Wayne State University in Detroit im US-Fachblatt "Cerebral Cortex".

Die beiden Wissenschafter und ihr Team untersuchten dafür das Gehirn von gesunden Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 77 Jahren zweimal im Abstand von je fünf Jahren unter dem Kernspintomografen, um die Volumina von bestimmten Regionen im Gehirn zu vermessen. Bei elf der insgesamt zwölf untersuchten Regionen konnten die Forscher dabei über den untersuchten Zeitraum eine deutliche Abnahme des Hirnvolumens beobachten, lediglich die Sehrinde, der so genannte visuelle Kortex, hatte sich in dieser Zeit nicht wesentlich verändert.

Interessanterweise schreitet dieser natürliche Alterungsprozess bei Mann und Frau gleichermaßen stark fort wie auch bei Menschen mit großen Gehirnvolumina und mit hohem Bildungsstand. Die Schrumpfung des Gehirns ist aber, sagen die Wissenschafter, insgesamt doch ein sehr individueller Prozess, der sich auch bei den einzelnen Probanden in unterschiedlicher Ausprägung bemerkbar machte. Ein Faktor scheint diesen natürlichen Alterungsprozess jedoch auffällig zu beschleunigen: 14 der 72 Versuchspersonen hatten zu Studienbeginn Bluthochdruck und während der fünfjährigen Pause erkrankten noch fünf weitere Personen an Hypertonie.

Relevanter Faktor: Zeit

Alle hatten den Blutdruck mithilfe von Medikamenten oder anderen Therapien gut unter Kontrolle. Doch die Forscher stellten fest, dass besonders gedächtnisrelevante Gehirnareale wie der Hippocampus sowie die weiße Substanz im präfrontalen Kortex stärker geschrumpft waren, und zwar umso deutlicher, je länger die untersuchten Patienten unter Bluthochdruck litten.

Die Forscher vermuten daher, dass über diesen nun entdeckten Zusammenhang ein erhöhter Blutdruck möglicherweise auch an der Entstehung der Alzheimer'schen Krankheit, die sich durch Erinnerungsverlust manifestiert, beteiligt ist. Zusammen mit ihrem Kollegen Paolo Ghisletta von der Universität Genf wollen Lindenberger und Raz nun die genauen Zusammenhänge zwischen den Hirnveränderungen und den im Rahmen ihrer Studie mit den Teilnehmern durchgeführten psychologischen Leistungstests näher untersuchen. (Andreas Grote/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 3. 2005)