Links: Andre Gingrich, rechts: Renee Schroeder
Foto: STANDARD/Hendrich
Wien - Eine Woche vor dem Internationalen Frauentag kritisieren die beiden Wittgensteinpreis-TrägerInnen Renee Schroeder und Andre Gingrich Benachteiligungen für Frauen im österreichischen Wissenschaftsbetrieb. "Wir sehen mit Sorge, dass statt einer verstärkten Anerkennung für Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses eher die alteingesessenen Hierarchien wieder an Bedeutung gewinnen. Das führt zwangsläufig zur Regression der Frauenförderung", so die beiden SpitzenwissenschafterInnen am Montag in einer Aussendung. Dies gelte für alle staatlich geförderten wissenschaftlichen Institutionen.

Kritik an "Entwicklungsplänen"

Anlass für den Vorstoß des Sozialanthropologen (Wittgensteinpreis 2000) und der Molekularbiologin (Wittgensteinpreis 2003) sind primär die derzeit vorliegenden Entwürfe für "Entwicklungspläne" der Universitäten. Diese würden sich vor allem darauf konzentrieren, "wann welche Professoren berufen und wie viele Handlanger ihnen zugeteilt werden: Das ist keine Nachwuchsförderung, welche die Kreativität der akademischen Jugend stimuliert", heißt es in der Aussendung. Junge Frauen und Männer müssten möglichst früh selbstständig und eigenverantwortlich forschen und lehren können, Konzepte der Ordinarien-Universität gehörten ins Museum. Schroeder und Gingrich fordern die Übernahme erfolgreich evaluierter Firnberg-Stellen, die frühe Etablierung eigenverantwortlicher LeiterInnen von Forschungsteams und die Sicherstellung von "Genderkollegs" als interdisziplinäre Forschungs- und Lehrzentren.

Reformbedarf bei Akademie der Wissenschaften

"Dringenden Reformbedarf" orten Schroeder und Gingrich bei der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), deren Mitglied die beiden sind. Für den Alltagsbetrieb der ÖAW-Forschungseinheiten müsste es eine "Null-Toleranz-Garantie in Fällen von Benachteiligung oder Diskriminierung gegenüber Frauen" geben. Außerdem würden die "altersmäßige und geschlechterbezogene Zusammensetzung in den entscheidenden ÖAW-Gremien und anonyme Abstimmungsformen oft die Logik der Entscheidungsfindung behindern". Die beiden Wittgensteinpreis-TrägerInnen fordern eine freiwillige Selbstverpflichtung für die Aufnahme jüngerer und vor allem weiblicher Mitglieder, wie sie staatlich geförderten Bereichen längst üblich seien.

Beim FWF, der für Gingrich "vergleichsweise am Besten dasteht", sehen die beiden SpitzenforscherInnen die Notwendigkeit, die START-Preise mehr als bisher für Frauen zugänglich zu machen. Außerdem sollte in allen Programmen die "Altersgrenze" abgeschafft werden, die Frauen systematisch ausschließe. Nicht das biologische Alter, sondern die Leistung und das wissenschaftliche Alter sollten entscheidend sein. (APA)