Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war gestern. Frühabends. Und wenn der ältere Herr nicht ganz so laut referiert hätte, wäre der Kopfhörer wohl auf meinen Ohren geblieben ­– und ich hätte die Wahrheit nie erfahren. Außerdem hätte ich nicht mitbekommen, dass Arthur Spooner nicht nur in meiner drittliebsten Frühabend-TV-Serie existiert, sondern in Wien unterwegs ist.

Spooner verriet mir – und einem halben U-Bahn-Wagon - nämlich, dass die U2 noch ein Jahr lang nicht fahren werde. Mindestens. Man wisse doch, wie die ­– (Spooner sagte nicht wer) - arbeiten. Und er persönlich habe sich schon lange von dem Traum verabschiedet, noch zu Lebzeiten wieder einen Fuß in die U2 zu setzen: Das mit der Verlängerung sei sowieso ein ausgemachter Schwindel – das sähe doch jeder, der halbwegs bei klarem Verstand sei.

Touristen

Spooner war – so hatte es jedenfalls unter meinen Kopfhören zunächst gewirkt – ganz harmlos mit seiner Frau im Wagon gestanden: Ein älteres Paar. Gepflegt. Nicht gebrechlich. Aber knapp bevor der Zug in die Station Volkstheater eingefahren war, hatte sich Spooner an ein Touristenpaar gewandt: Sie sollten dem, was der Fahrer gerade durchgesagt hatte (allem Anschein nach war es jener Satz, mit dem der U2-Stillstand erklärt wird), keinen Glauben schenken, hatte Spooner gesagt. Eher gebrüllt. Weil die – (die Wiener Linien?) – uns für blöd verkaufen würden.

Die Touristen hatten verdutzt geschaut. Darauf offenbarte Spooner seine Verschwörungs- und Inkompetenztheorie. Spooners Frau legte Spooner beruhigend die Hand auf den Arm. Er schüttelte sie ab: Es sei doch so – und die Wahrheit müsse auch einmal gesagt werden.

Der Zug fuhr in die Station Volkstheater ein. Die Touristen flüchteten.

Spooner wollte ihnen nach – seine Frau hielt ihn zurück. Spooner war außer sich: Es sei ein Skandal, wie Menschen für dumm verkaufen würden. Aber damit kämen sie nicht durch. Nicht mit ihm. Spooners Frau seufzte – und gab Spooner einen Kuss auf die Backe. Da wurde er ruhig – und lächelte sogar.