Süßweine und Aufgespritetes wie Portwein oder Madeira sind nicht unbedingt das, wonach heimische Weintrinker zuerst verlangen. Aber zu Blauschimmelkäse oder Schokodesserts sind diese Weine höchst empfehlenswerte Kombinationspartner. Von Luzia Schrampf.


Zu den vier Weintypen - ein österreichischer Ruster Ausbruch, ein Madeira Colheita 1995 sweet und zwei Portweine, ein zehnjähriger Tawny und eine Late Bottle Vintage (LBV) - wurden zwei unterschiedlich kräftige Blauschimmelkäse, ein milderer Dolcelatte und ein würzigerer Stilton, gereicht. In der letzten Runde wurde mit einem schweren Schoko-Haselnuss-Kuchen (Rezept: Rose Gray, Ruth Rogers "River Café Easy Kochbuch", Dorling Kindersley) verkostet, in dem 70-prozentige Schokolade und geröstete, zerkleinerte Haselnüsse verarbeitet wurden. Beim Kuchen macht es einen generellen Unterschied, ob man einen nussigeren Bissen oder einen saftigeren, schokoladigen erwischte: Nussig verstärkte rauchige Noten in den Weinen, Schokolade die fruchtigen. Die Weine waren nicht verdeckt. In vier Runden wurden Harmonie und Geschmacksentwicklung bewertet.


Die Weine als Solisten

1. Süßwein: Feiler Artinger, Ruster Ausbruch, 1998 Welschriesling & Weißburgunder, 13,5 % Alk.

Dieser Ruster Ausbruch, die Spezialität der burgenländischen Freistadt aus edelfaulen Trauben, stammt aus einem ausgezeichneten Süßweinjahrgan. Der Wein ist zeigt einige wucht, dazu eine höchst elegante Säure, einen schönen würzigen Unterton wie Honiglebkuchen. Mit der Zeit setzt sich eine (tropische) Fruchtmischung durch, bei der sich die Tester in den Beschreibungen überschlugen: reife Marillen, Weingartenpfirsich für die frische Säuerlichkeit, säuerlicher Apfel, später auch exotische Früchte - höchste Fruchtkomplexität.

2. Justino's Madeira Colheita 1995 "sweet", 19 % Alk.

Hiermit sei dezidiert festgehalten, dass Madeira mitnichten nur beim Kochen einsetzbar ist. Dieses Kochwein-Image, das den früher großteils in Tanks exportierten Weinen anhaftete, hat es leider auch den hochwertigen Madeiras nicht gerade leicht gemacht.Das Instituto do Vinho da Madeira hat daher 2002 den Export von Tank-Weinen - mit Ausnahme von minimalen Mengen mit streng kontrollierten Auflagen versehenen Mengen - verboten. Madeira generell wird aus vier so genannten "noblen" Rebsorten hergestellt, Sercial, Verdelho, Boal und Malvasia, die den Süßestufen dry, medium dry, medium sweet und sweet entsprechen. Die Gärung wird durch Beigabe von Brandy gestoppt ("aufspriten"). Die charakteristische rauchig-oxidative Note erhält Madeira durch Erwärmung, "Estufagem". Diese Colheita (Jahrgang), eine noch junge, parallel zu den klassischen Typen entwickelte Jahrgangsvariante, ist großteils aus der auf der Insel am häufigsten ausgepflanzten "nicht noblen" Rebsorte Tinto Negra Mole des Jahrgangs 1995 und schmeckt nach Kräutern und Tee. Die Säure ist kräftig, dazu Blutorangen- und Walnussaromen. Kalter Rauch, "wie nach einem Fest - the day after".

3. Quinta do Noval, 10 year old Tawny, in Holz gereift, 20 % Alk.

Auch bei Portwein wird die Gärung durch Beigabe von Branntwein gestoppt. Kurze Lagerzeit in Fässern und längere Flaschenreife bringen fruchtig-würzige Typen wie eben Late Bottle Vintage (LBV) oder Vintage Ports, die Krönung aller Ports, die nur in besonderen Jahren entsteht. Lange Fassreife (oder in Zementtanks) und Cuvetierung ergeben Tawny Ports, die als klassischer Aperitif gelten und als Zehn- oder Zwanzigjähriger oder noch älter in den Handel kommen. Die Altersangaben sind Durchschnittswerte. Je älter, desto variantenreicher die Nussaromen und desto bernsteinfarbener, "tawny", die Farbe. Bei zehnjährigem Tawny können auch noch fruchtige Komponenten im Spiel sein. So wie hier: Amaretto-Kirschen, dezente Schokonoten am Gaumen - eine Art Mon-Chérie-Mischung, Alkohol extra kräftig, Walnussaromen mit dezenten Kräuteranklängen, komplex.

4. Niepoort Late Bottle Vintage 1999: Late Bottle Vintage (LBV) 20 % Alk.

LBV gehören zu den fruchtig-komplexen Portweinstilen aus einem Jahrgang. Sie werden zwischen dem vierten und sechsten Jahr nach der Lese und im Idealfall - wie auch hier - unfiltriert (Depot) abgefüllt. Dieser Wein zeigte sich extra fruchtig: dunkle Johannisbeeren und andere dunkle Beeren, wobei sich mit der Zeit die Johannisbeeren durchsetzte, dazu ein Touch Erdbeere; Schwarzwälderkirschtorte, cremig-sahnig im Mund, schon süß, aber perfekt eingebunden.

Die Kombinationen

1a. Dolcelatte & Ruster Ausbruch:

weiche Harmonie, Blauschimmel potenziert das Traubige des Weines, besonders der blaue Teil des Dolcelatte bringt's in Verbindung mit der Süße. Urteil mehrheitlich "cremiges Gesamtkunstwerk", für einen Tester wird das Buttrige des Käses zu sehr hervorgekehrt. 8,5

1b. Stilton & Ruster Ausbruch:

Der Reiz kommt aus den Gegensätzen der Komponenten: Das Herb-Säurige des Käses ist Antipode zur Frucht, Fazit: pointiert in den Einzelteilen - schöne Fruchtigkeit des Weines, ebenso wie die Würze des Käses, beides bestens in Szene gesetzt 9

1c. Schokokuchen & Ruster Ausbruch:

Ein Zitronenhauch auf Schokokuchen - positiv ungewöhnlich; im Abgang bleibt die Säure etwas hängen, auch als zitronig-trocken beschrieben. Säure und Alkohol, obwohl im Vergleich zu den anderen Weinen niedrig, werden in dieser Kombination hervorgehoben; angenehm "hintennach". 7

2a. Dolcelatte & Madeira:

Das Rauchige des Weines ist extrem stark, auch sehr alkoholisch, angenehmes Prickeln des Schimmelkäses ist weg. Zwar nicht schlecht - aber große Herausforderung: Dolcelatte geht vom Käsegeschmack her unter und reduziert sich auf das Buttrige des Käses. 7

2b. Stilton & Madeira:

extrakräftige Kombination: Alkohol sehr deutlich - "flashig": mit strengem Stilton fast unangenehm; Schimmelnote des Käses ist deutlich schmeckbar, wird durch die Süße des Weines nur leicht gepuffert. 6,5

2c. Schokokuchen & Madeira:

die Alternative zu Kaffee und Kuchen v.a. für Espressoliebhaber; das Geröstete der Haselnüsse kommt extradeutlich; später Pflaumenwein-Assoziationen und Dörrzwetschken-Aromen, die sich schön verstärken. Kuchen puffert den kräftigen Alkohol angenehm. Deutlich fruchtigere Anmutung, als die Einzelteile vermuten lassen - sehr positiv. 9

3a. Dolcelatte & Tawny

herbe Süßspeise, gleichzeitig so cremig wie Eis, kirschig-sahnig, gewaltig; perfekte Harmonie, auch etwas Bitterschokolade, nussige Tawny-Aromen und Schimmel perfekt kombiniert. 9

3b. Stilton & Tawny:

ziemlicher Gegensatz, herb-nussig: Walnüsse, Räucherspeck. Nüsse und rauchige Noten potenzieren sich zur Geschmacksrichtung "smokey"; ein Tester empfand die Säure des Schimmelkäses als "fast spitz", eine anderer als "pointiert". 7,5

3c. Schokokuchen & Tawny:

passt nicht so gut, recht kräftige holzige Noten, kirschige Aromen des Tawny sind weg, Alkohol sehr deutlich. Käse geht insgesamt besser mit dem Tawny um. Paarung fast hustensaftartig-medizinisch. Zu Experimentalzwecken o.k. 5,5

4a. Dolcelatte & LBV:

Kombination fand mehrheitlich keinen Anklang weil der Käse untergeht, nur scharfe Säure bleibt. Ein einziger Tester befand, dass Wein und Käse "positiv witzig nebeneinander stehen". 5

4b. Stilton & LBV:

klassische Kombination zweier Protagonisten, die miteinander können, kräftig - würzig-fruchtige Rumtopfaromen; beide Teilnehmer eigenständig und stehen gut nebeneinander, kräftiges, markantes, attraktives Gegensatzpaar. 9

4c. Schokokuchen & LBV:

extra himbeerig, fruchtige Komponenten verstärken sich mit der Schokolade und harmonieren bestens; erinnert eine Testerin an Bols-Fruchtlikör aus der Kindheit, "in den ich Freddy-Kekse eingetunkt habe", aber auf einem sehr viel höheren Niveau; warm-fruchtiges Feeling. 8

STANDARD-Wertung: 0-2 Punkte: einfaches, sauberes Produkt ohne große Ansprüche; 2,1-5 gut, mit einigen interessanten Aspekten; 5,1-8 sehr gut, komplex, sticht aus der Masse heraus; 8,1-10 ausgezeichnet bis perfekt.

(DER STANDARD, printausgabe vom 26./27.2.2005)